Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
meinem Tee zu befassen. Bei jeder Wiederholung meines Berichtes waren neue, beglückende Details des Nachhausewegs mit Niklas ans Licht gekommen: Er hatte mir noch mal dieses originelle Kompliment gemacht, das ich so mochte – das mit meiner sexy Nase! Mir war aufgefallen, dass wir genau das gleiche Tempo beim Spazierengehen hatten. Genau das gleiche! Er hatte unterwegs an einem Gartenzaun eine orangefarbene Wicke stibitzt und sie mir ganz, ganz behutsam in das Knopfloch meiner Bluse gesteckt.
Ich erschaure noch immer, wenn ich dran denke.
»Und den Besichtigungstermin für die Zweizimmerwohnung hast du bei all der Romantik völlig vergessen!«, staunt Emma zufrieden.
Na ja. Ich hatte ihn fast vergessen. Eigentlich hätte ich ihn noch schaffen können, als er mir einfiel – aber dann hatte ich mir vorgestellt, wie schrecklich es für Niklas ist, wenn ich mir noch eine andere Wohnung ansehe. Wo er doch so verliebt in mich ist.
»Tja«, grinse ich und zucke glücklich mit den Schultern. »Ich sollte meine Wohnungssuche in Zukunft etwas gewissenhafter angehen«, füge ich halbherzig hinzu.
»Ach, weißt du, zur Not kannst du für ein paar Tage in meinem neuen bescheidenen Heim unterkommen«, sagt Emma.
Dank ihrer Verbindungen hat sie ruck, zuck etwas gefunden. Sie hat bereits am Vorabend den Mietvertrag für eine Einzimmerbehausung in der seelenreinigenden Tristesse einer Hochhaussiedlung in Bremen Tenever unterschrieben.
»Danke, Emma.«
Auch wenn ich mir bei aller Freundschaft nicht vorstellen kann, mit Emma und Monk auf zwanzig Quadratmetern zu wohnen.
»Wie hat dir eigentlich das gelbe Haus in natura gefallen?«, Emma guckt mich gespannt an. »Davon hast du noch gar nicht richtig erzählt.«
Hm.
Wäre Emma gestern Nachmittag zu Hause gewesen, hätte ich ihr gesagt, dass mir bloß die Küche und der Garten gefallen haben. Und dass der Rest zu eng und ein wenig, na ja, deprimierend ist. Eben wie die Wohnung der Nienabers. Bloß nicht unterirdisch.
Aber ich hatte ja bis zum Zubettgehen Zeit, mutterseelenallein alles hin und her zu überlegen – weil Emma laut Post-it am Kühlschrank kurzfristig einen Einzeltermin mit anschließender Intensiv-Gruppensitzung bei der Heil-Elke ergattert hatte. Und so war mir klar geworden, dass ich dem gelben Haus noch eine zweite Chance geben sollte. Besser gesagt, musste.
Einerseits aus Rücksicht auf Niklas’ Gefühle.
Andererseits wegen der Finanzen.
Ein größeres Haus würde natürlich auch teurer sein. Gut möglich, dass es für mich und Niklas nicht erschwinglich wäre. Gut möglich, dass wir ohnehin mit einem Häuschen vorliebnehmen müssen.
Ich nippe an meinem kalten Tee.
»Das Haus ist gar nicht so übel«, sage ich zu Emma.
Ich werde es einfach wie die Nienabers behandeln und es noch mal gründlich auf seine anderen Seiten hin betrachten.
Emma zieht die Stirn kraus.
Verdammt. Ich hätte das positiver formulieren müssen. Emma ist schließlich eine gewiefte Maklerin mit feinem Gespür für verkappte Vorbehalte gegenüber begutachteten Immobilien.
»Du findest es also hässlich und inakzeptabel«, stellt sie nüchtern fest. »Schade.«
Kurz öffne ich den Mund, um ihr zu widersprechen.
Dann seufze ich still.
»Meinst du, wir könnten in dem Preisrahmen auch noch was Größeres finden?«, frage ich sie ohne rechte Zuversicht.
»Einhundertvierzigtausend?«, sagt Emma.
Ich nicke.
»Vielleicht einen renovierungsbedürftigen Altbau auf dem Lande.«
»Hm.« Oje, das klang aber resigniert. Dann atme ich einmal tief durch. »Ach, ich finde das Haus auch nicht wirklich hässlich. Und nicht völlig inakzeptabel. Ich glaube, ich muss es mir einfach noch mal mit einer anderen Einstellung anschauen. Mit einem Blick für das Positive«, sage ich einigermaßen überzeugt.
Emma lächelt mich merkwürdig gütig an.
»Ja, genau«, sagt sie andächtig. »Der Blick für das Positive. Den muss man schärfen. Das ist hilfreich. Sagt Elke auch.«
Okay.
Ich hoffe, es ist trotzdem eine brauchbare Herangehensweise.
»Das ist schön«, sage ich und verkneife mir einen ironischen Unterton.
Ich will jetzt keine Diskussion über diese Person und ihre verschrobene Ideenwelt anzetteln. Offensichtlich tut es Emma gut, an diesen sonderbaren Sitzungen teilzunehmen. Wahrscheinlich wäre sie ohne Engel-Elke überhaupt nicht in der Lage, ihre Radikalkur ohne einen echten, altmodischen Nervenzusammenbruch durchzustehen.
»Ja, Elke hat wirklich unheimlich hilfreiche Anregungen«,
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