Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
ganz heiß.
»Oder lieber das Kinderzimmer?«, fragt Nadine und kichert anzüglich.
O Gott.
Vielleicht hätte ich sie vorhin doch nicht ins Vertrauen ziehen sollen, was meinen Kinderwunsch angeht. Denn aus heiterem Himmel ist er wieder da. Dieser peinliche Drang zu fliehen. Und das, obwohl die beiden mir nichts anderes vorgeschlagen haben, als die Räume anzuschauen, die ich noch nicht gesehen habe.
Niklas und Nadine schauen mich erwartungsvoll an.
Mir wird noch etwas heißer.
Und dann plötzlich eiskalt.
Hilflos gucke ich an Niklas’ Schulter vorbei aus dem Küchenfenster – als könnten dort jeden Augenblick Felix und irgendein Hund auftauchen, um mich zu retten.
»Du siehst wieder so blass aus, Iris.« Niklas ist alarmiert.
»Mir, mir ist tatsächlich nicht gut«, sage ich. »Mir ist sogar schlecht.«
Stimmt ja irgendwie.
»Kein Wunder, du Arme.« Nadine eilt an meine Seite. Sie legt ihre rosig rundliche Hand auf meinen Arm. »Bei dem, was du in letzter Zeit mitgemacht hast! Herrgott! Erst serviert dich dieser Jörg ab, weil du ihm zu fade bist. Dann hat er auch schon ein flottes, neues Ersatzmodell. Plus, du sitzt praktisch auf der Straße. Klar, dass du total fertig bist!«
Kalter Schweiß tritt auf meine Stirn.
Wie konnte Niklas nur?
Nie hätte ich angenommen, dass er seine Schwester bis ins kleinste peinliche Detail über mein Debakel ins Bild gesetzt hat.
Ich kann ihn nicht ansehen, so verdattert bin ich.
»Ich weiß genau, wie du dich fühlst, Iris«, erklärt mir Nadine. »Ich hätte mich sogar fast mal umgebracht wegen eines Kerls! Jawohl, umgebracht!«
Was?
Ich schlucke.
Mein Gott.
Schockiert sehe ich sie an. An so was habe ich noch nie gedacht.
Sie hat glänzende Augen und guckt beinahe ein bisschen stolz.
»Ja«, sagt Nadine. »Fast! Vor ein paar Jahren.«
»Nadine«, sagt Niklas sanft. »Jetzt geht es dir ja zum Glück wieder viel, viel besser.«
»Ja«, bestätigt Nadine leicht gereizt. »Meistens jedenfalls. Manchmal aber auch nicht. Und dann tut es mir unheimlich gut, zu hören, wie andere damit umgehen, wenn sie einfach sitzengelassen werden!«
Oh.
Ich nicke stumm.
Deshalb hat Niklas ihr alles erzählt.
Das ist was anderes.
»Nadine«, sage ich erschüttert. »Das tut mir so leid. Das wusste ich nicht.«
Wie sollte ich aber auch?
Über Nadine hat mir Niklas doch noch kein Wort erzählt.
»Ach, mach dir nichts draus«, sagt Nadine. »So was verstehen sowieso nur die allerwenigsten.«
Sie guckt mich an, als sei ich leider, leider eine von diesen unsensiblen Personen, die nicht mal merken, dass sich jemand umbringen will, wenn er es direkt vor ihrer Nase versucht.
Ich starre sie an.
Warum kommt mir Nadine bloß so unsympathisch vor, auch wenn sie nie richtig unfreundlich ist?
»Das Schlafzimmer?«, erinnert Niklas mich.
»Ja. Klar.« Ich bin ganz benommen.
Ich sollte jetzt lieber nicht weiter über Nadine nachgrübeln.
Sondern daran denken, was wirklich wichtig ist.
Niklas steigt flott die schmale Treppe ins erste Stockwerk hoch, und mein Herz macht einen winzigen, freudigen Hüpfer.
Er hat mich geküsst!
Er ist verliebt in mich.
Zweifellos verliebt.
Als ich ein paar Stunden später in dem komfortablen Gästebett in Emmas Noch-Wohnung liege, kann ich mich kaum erinnern, wie das Schlafzimmer und das Kinderzimmer im gelben Reihenhaus eigentlich ausgesehen haben. Wie in einem dieser Träume, in denen man weiß, dass man besser einfach mitspielt, weil sonst irgendetwas Schlimmes passiert, war ich Nadine und Niklas durch die restlichen Räume gefolgt. Hatte an den hoffentlich passenden Stellen die hoffentlich passenden Geräusche gemacht. Hatte mich beim Abschied von Nadine innig drücken lassen, als sei ich ein lang ersehntes neues Familienmitglied.
Und tatsächlich! Es war nichts Schlimmes passiert!
Ganz im Gegenteil.
Vierundzwanzigstes Kapitel
D er Pfefferminztee in meinem Becher ist schon kalt, als ich endlich dazu komme, den ersten Schluck zu nehmen.
»Und dann hat er dich bis nach Hause begleitet, ja? Und ihr seid den ganzen Weg über Hand in Hand gelaufen, ja? Während in den Bäumen die Vögel sangen? Und ihr nur Augen füreinander hattet?«, fragt Emma mich begeistert und schiebt nebenbei zum zigsten Mal die unangetastete Scheibe Discounter-Knäckebrot von einer auf die andere Seite ihres Frühstücksbrettchens.
»Jaaa!«, seufze ich seelig.
Denn genauso war es! Und genauso habe ich es Emma schon mehrmals erzählen müssen, anstatt mich mit
Weitere Kostenlose Bücher