Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
anders ausgesehen. Erst ein paar Worte über Äpfel, dann ein paar Minuten, um über die Arbeit zu plauschen. Und schließlich dann eine Verabredung auf einen Kaffee – bei dem ich das Gespräch geschickt auf das Thema Ex-Partner lenken wollte.
Gesine atmet ganz langsam aus.
»Verstehe«, sagt sie und sieht mich dabei erstaunlich wohlwollend an. »In Ordnung.«
»Gesine«, sagt der Mann an ihrer Seite leise, »denkst du nicht, es wäre besser …«
»Nein«, sagt Gesine. »Das ist in Ordnung.«
Seltsam. Plötzlich ist alles viel einfacher, als ich dachte.
Ich lächle sie erleichtert an.
»Danke«, sage ich.
Sie lächelt warm zurück. Als hielte sie mich trotz meines merkwürdigen Verhaltens für einen netten Menschen.
»Ich muss jetzt zur Arbeit«, sagt sie. »Und danach habe ich keine Zeit. Er muss zum Arzt«, erklärt sie mit einem Nicken Richtung Hündchen. »Aber für morgen können wir gerne etwas abmachen. Wenn es Ihnen passt.«
»Was hat er denn?«, frage ich und nicke ebenfalls Richtung Hündchen. »Ich hoffe, nichts Schlimmes?«
Gesine lacht.
»Ach was. Der ist kerngesund. Er muss nur zur Impfung«, sagt sie. »Und … haben Sie morgen Zeit?«
Sie klingt, als sei ihr das Gespräch über Niklas genauso wichtig wie mir.
»Ja, sicher«, sage ich. »Vielleicht um kurz nach fünf? In der Kaffeebar in der Dompassage?«
Gesine nickt.
»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragt sie mich freundlich. »Meinen Namen haben Ihnen ja sicher schon die Nienabers verraten, als sie Ihnen mein Foto gezeigt haben.«
Die Nienabers …
Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken.
Obwohl ich schon so viele von ihren anderen Seiten entdeckt habe.
»Iris«, sage ich und strecke meine Hand aus.
Gesine ergreift sie und lächelt mich herzlich an, während sie sie kurz schüttelt.
Sie scheint trotz meines unmöglichen Benehmens kein bisschen böse auf mich zu sein. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass sie aus irgendeinem Grund volles Verständnis dafür hat.
»Ich muss jetzt wirklich los«, sagt sie und blickt auf ihre Uhr, die mit ihrem schlichten hellbraunen Armband eher praktisch aussieht.
»Oh, ich auch!«, rufe ich. »Ich arbeite übrigens im Ordnungsamt«, füge ich spontan hinzu.
Vielleicht aus dem Bedürfnis, meine hinterrücks geplanten, wenn auch gründlich gescheiterten Spionagestrategien durch etwas Offenheit auszugleichen.
»Ah! Gleich gegenüber von mir!«, sagt Gesine. »Ich arbeite nämlich …« Sie stockt. »Aber das wissen Sie vermutlich bereits.«
Ich nicke.
Diesmal nicht verschämt. Schließlich ist es nicht verwerflich, dass ich Niklas danach gefragt habe. Und er es mir erzählt hat.
»Bis morgen um kurz nach fünf«, sage ich zu Gesine.
»Bis morgen«, antwortet sie und wendet sich zum Gehen. Sie zögert einen Moment. »Halten Sie die Ohren steif«, sagt sie über ihre Schulter hinweg und wirft mir ein besorgtes Lächeln zu.
Wie meint sie das?
Ich öffne verdutzt den Mund.
Gesine geht so unvermittelt weiter, dass ihr Begleiter, bei dem sie immer noch eingehakt ist, ein wenig ins Straucheln gerät.
Er fängt sich und dreht sich kurz zu mir um.
»Alles Gute«, sagt er.
Mein Mund steht immer noch offen, als ich den beiden und ihrem Vierbeiner nachblicke.
Weshalb behandeln die mich denn, als ob, als ob …
Über mir schlägt dröhnend die Domuhr.
Ich zucke zusammen.
Sie schlägt ein zweites Mal.
O Gott. So spät!
Eilig setze ich mich Richtung Ordnungsamt in Bewegung.
Was wird Bruno sagen, wenn ich zu spät komme! Und dann gleich eine halbe Stunde.
Ich hetze los und schlängle mich zwischen den Marktständen hindurch. Nur mit Mühe schaffe ich es, keinen der vielen Menschen dort anzurempeln. Ich komme an die Straße, die zum Ordnungsamt führt, und laufe noch schneller. Inzwischen brennt meine Kehle. Plötzlich wird mir schwindelig.
Japsend bleibe ich stehen.
Warum renne ich so? Nur weil Bruno geschockt sein könnte, wenn auch ich mal zu spät komme?
Das ist doch lächerlich!
Ich atme mehrmals tief durch, bis der Schwindel nachlässt.
Dann gehe ich langsam weiter.
So.
Entschlossen recke ich mein Kinn.
Ich habe es satt, mir vorzustellen, was andere über mich denken.
Erst recht, was Bruno denkt. Der hat doch sowieso keine Ahnung.
Von anderen Menschen.
Wenn er nicht mal merkt, dass sein Sohn sich mehr für mich interessiert als für seine Verlobte.
Siebenundzwanzigstes Kapitel
B runo hat nicht mal gemerkt, dass ich viel zu spät gekommen bin.
Fast ein bisschen
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