Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
Vom Netzwerk:
wahrscheinlich das letzte Mal, daß wir miteinander sprechen. »Kein Problem«: die allerletzten Worte zu jemandem, dem ich recht nahegestanden habe, bevor unsere Lebenswege sich trennten. Verrückt, was? Man verbringt Weihnachten bei Menschen, man macht sich Sorgen wegen ihrer Operationen, umarmt und küßt sie, schenkt ihnen Blumen, man sieht sie in ihren Bademänteln … und dann, peng, das war's. Aus und vorbei. Und früher oder später wird es eine andere Mum geben, ein anderes Weihnachten, andere Krampfadern. Sie sind alle gleich. Nur die Adressen und die Farben der Bademäntel ändern sich.

I ch bin hinten im Laden und versuche ein bißchen aufzuräumen, als ich zufällig ein Gespräch zwischen Barry und einem Kunden mithöre – der Stimme nach zu urteilen männlich, schon älter und sicher in keiner Hinsicht irgendwie hip.
    »Ich suche nach einer Platte für meine Tochter. Zu ihrem Geburtstag. ›I Just Called To Say I Love You‹. Haben Sie die?«
    »Na klar«, sagt Barry. »Sicher haben wir die.«
    Ich weiß mit Sicherheit, daß die einzige Platte von Stevie Wonder, die wir derzeit haben, »Don't Drive Drunk« ist. Wir haben sie seit ewigen Zeiten und nie jemandem andrehen können, nicht mal für sechzig Pence. Was hat er vor?
    Ich gehe nach vorne, um nachzusehen, was los ist. Barry steht da und strahlt den Typ an, der wirkt ein wenig nervös.
    »Könnte ich sie dann wohl haben?« Er lächelt schwach vor Erleichterung, wie ein kleiner Junge, der im letzten Moment noch daran gedacht hat, »bitte« zu sagen.
    »Nein, bedaure, das können Sie nicht.«
    Der Kunde, älter als ich ursprünglich annahm, mit einer Schiebermütze und einem schmutzigen beigen Regenmantel bekleidet, steht da wie angewurzelt. Man kann förmlich sehen, was in ihm vorgeht: Ich wollte von Anfang an nicht in diese laute, düstere Höhle, und jetzt werde ich zur Schnecke gemacht.
    »Warum nicht?«
    »Wie bitte?« Barry spielt laut Neil Young, und Neil hat gerade den Verstärker angeworfen.
    »Warum nicht?«
    »Weil es sentimentaler, geschmackloser Schrott ist, deswegen. Sehen wir aus wie ein Laden, der Dreck wie ›I Just Called To Say I Love You‹ verkauft, hä? Und jetzt raus mit Ihnen, stehlen Sie uns nicht unsere Zeit.«
    Der ältere Kerl dreht sich um und geht raus, und Barry kichert fröhlich vor sich hin.
    »Vielen lieben Dank, Barry.«
    »Was liegt an?«
    »Du hast gerade einen verdammten Kunden verscheucht, das liegt an.«
    »Was er wollte, hatten wir nicht. Ich hab' mir nur einen Spaß gemacht, und dich hat das keinen Pfennig gekostet.«
    »Darum geht's nicht.«
    »Ach, worum geht's dann?«
    »Es geht darum, daß ich nicht möchte, daß du je wieder mit einem, der hier reinkommt, so umspringst.«
    »Warum nicht? Meinst du, der alte Trottel wäre Stammkunde geworden?«
    »Nein, aber … hör zu, Barry, der Laden läuft nicht so besonders. Ich weiß, daß wir bislang jeden verarscht haben, der irgendwas haben wollte, was wir nicht mögen, aber damit muß Schluß sein.«
    »Schwachsinn. Hätten wir die Platte gehabt, hätte ich sie ihm verkauft, und du wärst jetzt fünfzig Pence oder ein Pfund reicher und würdest ihn nie wiedersehen. Tolles Geschäft.«
    »Was hatte er dir überhaupt getan?«
    »Du weißt, was er mir getan hat. Er hat mich mit seinem grauenhaften Geschmack beleidigt.«
    »Es war nicht mal sein grauenhafter Geschmack. Es war der seiner Tochter.«
    »Du wirst weich auf deine alten Tage, Rob. Es gab mal eine Zeit, da hättest du ihn aus dem Laden und die Straße runter gejagt.«
    Er hat recht, es gab so eine Zeit. Sie scheint lange zurückzuliegen. Soviel Zorn bringe ich einfach nicht mehr auf.

    Dienstag abend ordne ich meine Plattensammlung neu. Ich tue das oft in Zeiten emotionaler Belastung. Es gibt Menschen, die das für eine ziemliche blöde Art halten, seinen Abend zu verbringen, aber ich zähle nicht zu ihnen. Das ist mein Leben, und es ist schön, darin zu waten, mit den Armen hineintauchen und es berühren zu können.
    Als Laura hier wohnte, hatte ich die Platten alphabetisch geordnet, vorher hatte ich sie in chronologischer Ordnung, angefangen mit Robert Johnson bis zu, keine Ahnung, Wham! oder irgendwas Afrikanischem, oder was ich mir sonst so anhörte, als Laura und ich uns kennenlernten. Heute abend aber schwebt mir etwas anderes vor, und ich versuche mich zu erinnern, in welcher Reihenfolge ich die Platten gekauft habe: Auf diese Weise hoffe ich, meine Autobiographie schreiben zu können, ohne auch

Weitere Kostenlose Bücher