High Fidelity (German Edition)
Laura möchte Samstag nachmittag vorbeikommen, wenn ich auf der Arbeit bin, um noch mehr Unterwäsche abzuholen, was mir nur recht ist. Hier hätten wir Schluß machen sollen, aber ich versuche eine andere Art von Gespräch anzufangen, und das paßt ihr nicht, weil sie auf der Arbeit ist, und sie legt unter Tränen auf. Und ich fühle mich wie ein Schwachkopf, weil ich mich nicht bremsen konnte. Das kann ich nie.
Ich frage mich, was sie sagen würde, wenn sie wüßte, daß ich gleichzeitig wild darauf war, daß Marie in den Laden kommt? Wir haben gerade ein Telefonat geführt, in dem ich ihr unterstellte, mein Leben zerstört zu haben, und für die Dauer des Gesprächs glaubte ich das selbst. Aber jetzt – und ich kann das ohne jede Spur von Irritation oder Selbstekel – mache ich mir Gedanken darüber, was ich anziehen soll, ob ich stoppelig oder glattrasiert besser aussehe und welche Musik ich heute im Laden spielen soll.
Manchmal scheint es mir, als gäbe es für einen Mann keine bessere Möglichkeit, seine Nettigkeit, seine Anständigkeit zu überprüfen, als sich seine Beziehungen zu Frauen anzusehen – oder besser, zu zukünftigen oder derzeitigen Sexualpartnern. Zu seinen Kumpels nett zu sein ist kinderleicht. Man kann ihnen einen Drink spendieren, ihnen ein Tape aufnehmen; sie anrufen, um zu hören, wie es ihnen geht … es gibt unzählige schnelle und unproblematische Methoden, sich als dufter Kumpel darzustellen. Wenn es um Freundinnen geht, wird es viel verzwickter, ausdauernd anständig zu sein. Im einen Moment funktioniert man noch reibungslos, macht die Kloschüssel sauber, steht zu seinen Gefühlen und macht all die anderen Sachen, die von modernen Burschen erwartet werden, im nächsten Moment manipuliert man und schmollt und betrügt und schwindelt wie ein Weltmeister. Da soll sich einer auskennen.
Ich rufe Liz am frühen Nachmittag an. Sie ist nett zu mir. Sie sagt, wie leid es ihr tue, was für ein tolles Paar wir gewesen seien, daß ich Laura gutgetan habe, ihr ruhender Pol gewesen sei, sie gelehrt habe, aus sich herauszugehen, auch mal fünfe gerade sein zu lassen, sie zu einem netteren, ruhigeren, entspannteren Menschen gemacht und für andere Dinge außer ihrer Arbeit interessiert habe. Das ist nicht Liz' genauer Wortlaut, ich lege das so aus. Aber ich vermute, das meint sie, wenn sie sagt, wir seien ein tolles Paar gewesen. Sie fragt, wie es mir geht und ob ich zurechtkomme, sie erklärt mir, sie hielte von diesem Ian nicht viel. Wir verabreden uns für irgendwann nächste Woche zu einem Drink. Ich lege auf.
Welcher verdammte Ian?
Marie kommt kurz darauf in den Laden. Wir sind alle drei da. Ich spiele gerade ihr Tape, und als ich sie eintreten sehe, versuche ich es rasch auszumachen, ehe sie es bemerkt, aber ich bin nicht schnell genug, darum mache ich es genau in dem Moment aus, als sie anfängt, darüber zu reden, drehe es wieder lauter und werde rot. Sie lacht. Ich gehe nach hinten ins Lager und komme nicht wieder raus. Barry und Dick verkaufen ihr Kassetten für siebzig Pfund.
Welcher verdammte Ian?
Barry kommt ins Lager geplatzt. »Ich wollte nur sagen, daß wir auf der Gästeliste für Maries Gig im White Lion stehen. Wir alle drei.«
Innerhalb der letzten halben Stunde habe ich mich vor jemandem lächerlich gemacht, an dem ich interessiert bin, und bin vermutlich dahintergekommen, daß meine Ex ein Verhältnis hat. Von der Gästeliste im White Lion will ich nichts hören.
»Das ist ja wirklich sagenhaft, Barry. Auf der Gästeliste im White Lion! Jetzt müssen wir nur noch nach Putney und zurück, und jeder von uns hat einen Fünfer gespart. Ist schon toll, einflußreiche Freunde zu haben, was?«
»Wir können deinen Wagen nehmen.«
»Das ist nicht mein Wagen. Es ist Lauras Wagen. Laura hat ihn. Wir hängen also entweder zwei Stunden in der U-Bahn oder wir nehmen ein Minicab, was uns einen Fünfer pro Kopf kostet. Echt großartig.«
Barry reagiert mit einem »Hoffnungsloser Fall«-Achselzucken und marschiert raus. Ich fühle mich mies, sage aber nichts zu ihm.
Ich kenne niemanden namens Ian. Laura kennt niemanden namens Ian. Wir sind drei Jahre zusammengewesen, und ich habe sie nie einen Ian erwähnen hören. Es gibt keinen Ian in ihrem Büro. Sie hat keine Freunde namens Ian und sie hat keine Freundinnen mit Freunden namens Ian. Ich würde nicht behaupten, daß sie in ihrem ganzen Leben noch keinem Ian begegnet ist, es muß einen auf dem College gegeben haben, obwohl sie
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