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High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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andernfalls ist das Leben wie ein Film, für den das Geld ausgegangen ist, es fehlen Drehorte oder Schauplätze oder Nebendarsteller, und da steht nur ein Typ, glotzt in die Kamera, hat nichts darzustellen und keinen Ansprechpartner. Und wen könnte so eine Figur schon überzeugen? Ich muß mehr Krempel, mehr Krimskrams, mehr Einzelheiten in meine Rolle hineinpacken, denn momentan laufe ich Gefahr, abzurutschen.

    »Hast du Soul?« fragt mich eine Frau am nächsten Nachmittag. Kommt drauf an, hätte ich beinahe gesagt, an manchen Tagen ja, an manchen nein. Noch vor ein paar Tagen war Seele völlig ausverkauft, jetzt habe ich Unmengen, zuviel, mehr als ich brauchen kann. Ich wünschte, ich könnte sie gleichmäßiger verteilen, würde ich ihr am liebsten erklären, besser damit haushalten, aber das gelingt mir nie. Aber ich sehe schon, daß sie an meinen seelischen Inventurproblemen kein Interesse haben wird, darum zeige ich einfach dorthin, wo ich meinen Soul stehen habe. Direkt am Ausgang, gleich neben dem Blues.

G enau eine Woche nachdem Laura mich verlassen hat, erhalte ich einen Anruf von einer Frau aus Wood Green, die glaubt, ein paar Singles zu haben, die mich interessieren könnten. Normalerweise kümmere ich mich nicht groß um solche Entrümpelungsaktionen, aber diese Frau scheint sich auszukennen: Sie murmelt was von Weißpressungen, Picture Sleeves und lauter anderen Dingen, die vermuten lassen, daß wir uns nicht nur über ein halbes Dutzend zerkratzter Electric-Light-Orchestra-Singles unterhalten, die ihr Sohn beim Auszug zurückgelassen hat.
    Ihr Haus ist gigantisch, eins von denen, die aus einem anderen Stadtteil nach Wood Green eingewandert zu sein scheinen, sie selbst ist weniger ansprechend. Sie ist Mitte bis Ende Vierzig, mit unnatürlich gebräuntem und mit verdächtig straffem Gesicht, und obwohl sie Jeans und T-Shirt trägt, haben die Jeans dort, wo eigentlich die Namen der Herren Wrangler oder Levi stehen sollten, einen italienischen Namen und das T-Shirt ist vorne mit reichlich Straß verziert, der die Form eines CND-Zeichens › Anmerkung bildet.
    Sie lächelt nicht, bietet mir auch keinen Kaffee an oder fragt mich, ob ich gut hergefunden habe, trotz des prasselnden eisigen Regens, in dem ich kaum den Stadtplan vor Augen sehen konnte. Sie führt mich nur in ein Arbeitszimmer neben der Diele, knipst das Licht an, zeigt mir die Singles auf dem obersten Regal – es sind Hunderte, alle in eigens angefertigten Holzkisten – und läßt mich allein, damit ich sie durchsehe.
    In den Regalen, die die Wände säumen, stehen keine Bücher, nur LPs, CDs, Kassetten und Hi-Fi-Equipment. Die Kassetten tragen kleine numerierte Aufkleber, stets ein Hinweis auf einen seriösen Menschen. Es lehnen ein paar Gitarren an den Wänden, und außerdem steht da eine Art von Computer, der aussieht, als könne er irgendwas Musikalisches machen, falls einem danach wäre.
    Ich klettere auf einen Stuhl und hebe die Kästen mit den Singles herunter. Es sind insgesamt sieben oder acht, und obwohl ich mir Mühe gebe, noch nicht nachzusehen, was drin ist, während ich sie auf den Boden stelle, erhasche ich einen Blick auf die erste Single in der letzten Kiste: Es ist eine James-Brown-Single auf King, dreißig Jahre alt, und mich überkommt prickelnde Vorfreude.
    Als ich sie durchsehe, erkenne ich sofort, daß dies der Fang ist, von dem ich immer geträumt habe, seit ich anfing, Schallplatten zu sammeln. Da finden sich Beatles-Singles, die ausschließlich für Fanclubs gepreßt wurden, das erste halbe Dutzend Who-Singles, Elvis-Originale aus den frühen Sechzigern, massenhaft rare Blues-und Soul-Singles und … da ist ein Exemplar von »God Save The Queen« von den Sex Pistols auf A & M! Noch nie habe ich eins davon gesehen! Noch nie habe ich jemanden gesehen, der eins davon gesehen hat! Und, oh mannomann, großer Gott – »You Left The Water Running« von Otis Redding, veröffentlicht sieben Jahre nach seinem Tod und sofort zurückgezogen, weil seine Witwe nicht wollte …
    »Was halten Sie davon?« Sie lehnt mit verschränkten Armen im Türrahmen, milde belustigt über das blöde Gesicht, das ich wohl mache.
    »Das ist die beste Sammlung, die ich je gesehen habe.« Ich habe keinen Schimmer, was ich ihr anbieten soll. Das Ganze muß mindestens sechs oder sieben Riesen wert sein, und sie weiß das. Woher soll ich soviel Geld nehmen?
    »Geben Sie mir fünfzig Pfund und Sie können jede einzelne gleich mitnehmen.«
    Ich blicke

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