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High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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sie an. Jetzt sind wir offiziell im Märchenland, wo kleine alte Damen einem noch Geld dafür zahlen, daß man ihnen die Chippendale-Möbel wegschleppt. Nur daß ich es nicht mit einer kleinen alten Dame zu tun habe, und sie sehr wohl weiß, daß das, was sie hier hat, eine Menge mehr wert ist als fünfzig Mäuse. Was ist hier los?
    »Sind die gestohlen?«
    Sie lacht. »Würde sich für fünfzig Pfund kaum lohnen, den ganzen Berg bei irgendwem aus dem Fenster zu wuchten, oder? Nein, sie gehören meinem Mann.«
    »Und Sie verstehen sich derzeit nicht besonders gut mit ihm?«
    »Er ist mit einer Dreiundzwanzigjährigen in Spanien. Einer Freundin meiner Tochter. Er hatte die verdammte Frechheit, anzurufen und um Geld zu bitten, und als ich ablehnte, bat er mich, seine Singles-Sammlung zu verkaufen und ihm einen Scheck über das zu schicken, was ich dafür kriege, minus zehn Prozent Kommission. Dabei fällt mir ein: Könnten Sie darauf achten, mir einen Fünfpfundschein zu geben? Ich will ihn mir rahmen und an die Wand hängen.«
    »Es muß ihn viel Zeit gekostet haben, sie zusammenzutragen.«
    »Jahre. Diese Sammlung ist das Beste, was er je zustandegebracht hat.«
    »Arbeitet er?«
    »Er selbst bezeichnet sich als Musiker, aber …« Sie zieht ein verdrießliches Gesicht, das Skepsis und Verachtung widerspiegelt. »Er schnorrt sich bloß bei mir durch, sitzt auf seinem fetten Arsch rum und glotzt sich Plattenlabels an.«
    Man stelle sich vor, heimzukommen und feststellen zu müssen, daß seine Elvis-Singles und seine James-Brown-Singles und seine Chuck-Berry-Singles aus reiner Boshaftigkeit für ein Butterbrot verscheuert worden sind. Was würde man tun? Was würde man sagen?
    »Hören Sie, kann ich Sie nicht anständig bezahlen? Sie müssen ihm ja nicht sagen, was Sie bekommen haben. Sie können ihm ja trotzdem die fünfzig Eier schicken und den Rest auf den Kopf hauen. Oder der Wohlfahrt spenden. Oder so was.«
    »So war das nicht abgemacht. Ich möchte gemein sein, aber fair.«
    »Tut mir leid, es ist nur … Ich möchte nichts davon haben.«
    »Wie Sie möchten. Es gibt genug andere.«
    »Tja, ist mir klar. Deswegen würde ich gerne einen Kompromiß finden. Wie wäre es mit fünfzehnhundert? Sie sind wahrscheinlich viermal soviel wert.«
    »Sechzig.«
    »Dreizehn.«
    »Fünfundsiebzig.«
    »Elf: Das ist mein niedrigstes Angebot.«
    »Und ich werde keinen Penny mehr als neunzig nehmen.« Wir lächeln jetzt beide. Es lassen sich kaum andere Umstände vorstellen, die in einer solchen Verhandlung enden könnten.
    »Verstehen Sie? Er könnte es sich dann leisten, nach Hause zu kommen. Und das ist das letzte, was ich will.«
    »Es tut mir leid, aber Sie wenden sich wohl besser an jemand anderen.« Wenn ich wieder im Laden bin, werde ich in Tränen ausbrechen und einen Monat lang wie ein Baby weinen, aber ich bringe es einfach nicht über mich.
    »Na schön.«
    Ich stehe auf und will gehen, gehe dann aber zurück auf die Knie: Ich möchte nur einen letzten, sehnsüchtigen Blick darauf werfen.
    »Darf ich Ihnen diese Otis-Redding-Single abkaufen?«
    »Klar. Zehn Pence.«
    »Na, kommen Sie schon. Lassen Sie mich für die einen Zehner zahlen, und den Rest können Sie von mir aus weggeben.«
    »Okay. Weil Sie sich die Mühe gemacht haben, herzukommen. Und weil Sie Prinzipien haben. Aber das ist alles. Ich werd' sie Ihnen nicht Stück für Stück verkaufen.«
    Da fahre ich also nach Wood Green und kehre mit »You Left The Water Running« in Mint-Qualität für einen Zehner zurück. Keine schlechte Leistung für einen Morgen. Barry und Dick werden beeindruckt sein. Aber sollten sie jemals das über Elvis und James Brown und Jerry Lee Lewis und die Pistols und die Beatles herausfinden, werden sie auf der Stelle einen wahrscheinlich lebensbedrohlichen traumatischen Schock erleiden, und ich werde sie beschwichtigen müssen, und …
    Wie kommt es, daß ich letzten Endes doch auf der Seite des Schurken stehe, des Mannes, der seine Frau verlassen und sich mit einem Nymphchen nach Spanien verdrückt hat? Warum schaffe ich es nicht, nachzufühlen, was seine Frau empfinden mag? Vielleicht sollte ich heimgehen und Lauras Skulptur an einen verscheuern, der sie zerschlagen und als Altmaterial verwenden will, vielleicht täte mir das ganz gut. Aber ich weiß, daß ich das nicht tun werde. Alles, woran ich denken kann, ist der mitleiderregende Gesichtsausdruck des Typen, wenn er den Scheck in der Post findet, und ich kann nicht anders, als

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