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High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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Blick Verzweiflung spricht. Dad sieht mich und mimt panischen Schrecken, aber das Gespräch unterbricht er nicht.
    Das Zimmer ist voll von Leuten, die ich nicht wiedererkenne. Ich habe den Teil verpaßt, wo der Kerl redet und Kostproben ausgibt. Ich bin während des Teils eingetroffen, wo aus Weinprobieren Weinsaufen geworden ist, und obwohl ich den einen oder anderen Wein im Mund herumspülen und hochtrabenden Blödsinn verzapfen sehe, kippt sich der Großteil das Zeug, so schnell er kann, hinter die Binde. Das habe ich nicht erwartet. Ich bin für einen Nachmittag stiller Tristesse hergekommen, nicht für ausgelassene Partylaune. Was ich mir von diesem Nachmittag versprochen hatte, war der unstreitige Beweis, daß mein Leben, so trostlos und leer es auch ist, längst nicht so trostlos und leer ist wie ein Leben in Watford. Wieder daneben. Nichts klappt, wie Catweazle zu sagen pflegte. Das Leben in Watford ist trostlos, ja, aber trostlos und erfüllt. Welches Recht haben Eltern, an Sonntagnachmittagen ohne irgendeinen Grund Partys zu besuchen?
    »Heute nachmittag kommt Genevieve im Fernsehen, Mum.« »Weiß ich. Wir nehmen ihn auf.«
    »Seit wann habt ihr einen Videorecorder?«
    »Schon seit Monaten.«
    »Habt ihr mir nie erzählt.«
    »Du hast nie gefragt.«
    »Ist es das, was ich jede Woche machen soll? Euch fragen, ob ihr irgendwelche langlebigen Konsumgüter angeschafft habt?«
    Eine riesige Dame, die etwas anhat, das wie ein gelber Kaftan aussieht, segelt auf uns zu.
    »Du mußt Robert sein.«
    »Rob, yeah. Hi.«
    »Ich bin Yvonne. Der Gastgeber. Gastgeberin.« Aus unerfindlichem Grund lacht sie wie irre. Ich will Kenneth More › Anmerkung sehen. »Du bist der, der in der Musikindustrie arbeitet, stimmt's?«
    Ich werfe meiner Mum einen Blick zu, und sie schaut weg. »Nein, nicht wirklich. Ich habe ein Plattengeschäft.«
    »Oh, verstehe. Ist ja mehr oder weniger dasselbe.« Sie lacht wieder, und wenn es auch tröstlich wäre, wenn ich glauben könnte, daß sie betrunken ist, fürchte ich, daß das nicht der Fall ist.
    »Muß wohl. Und die Frau, die in der Drogerie Ihre Fotos entwickelt, arbeitet dann in der Filmindustrie.«
    »Möchtest du meinen Schlüssel haben, Rob? Du könntest nach Hause gehen und Teewasser aufsetzen.«
    »Sicher. Da sei Gott vor, daß ich hierbleibe und mich amüsiere.«
    Yvonne murmelt etwas und schwebt davon. Meine Mum ist zu froh, mich zu sehen, um sauer auf mich zu sein, aber dennoch schäme ich mich ein bißchen.
    »Vielleicht wird es sowieso Zeit, daß ich eine Tasse Tee trinke.« Sie geht rüber, um sich bei Yvonne zu bedanken, die mich anblickt, den Kopf auf die Seite legt und ein trauriges Gesicht macht. Offensichtlich erzählt Mum ihr von Laura, um meine Unfreundlichkeit zu entschuldigen. Ist mir egal. Vielleicht lädt Yvonne mich zur nächsten Probe ein.
    Wir gehen nach Hause und sehen uns den Rest von Genevieve an.
    Mein Dad kommt ungefähr eine Stunde später zurück. Er ist betrunken.
    »Wir gehen zusammen ins Kino«, erklärt er.
    Das ist zuviel.
    »Dir mißfällt doch das Kino, Dad.«
    »Mir mißfällt der Mist, den du dir ansiehst. Ich schätze schöne, gut gemachte Filme. Britische Filme.«
    »Was läuft?« fragt meine Mum.
    »Howard's End. Das ist die Fortsetzung von Zimmer mit Aussicht.«
    »Ach, wie reizend«, meint meine Mum. »Geht jemand von gegenüber mit?«
    »Nur Yvonne und Brian. Aber beeilt euch. Er fängt in einer halben Stunde an.«
    »Ich fahre besser zurück«, erkläre ich. Ich habe den ganzen Nachmittag kaum ein Wort mit beiden gesprochen.
    »Du gehst nirgendwo hin«, sagt mein Dad. »Du kommst mit uns. Ich zahle.«
    »Es liegt nicht am Geld, Dad.« Es liegt an diesem Horrorgespann Merchant und Ivory. »Es wird zu spät. Ich muß morgen arbeiten.«
    »Jetzt sei nicht so lahm, Mann. Du wirst trotzdem um elf im Bett sein. Es wird dir guttun. Dich aufheitern. Dich ablenken.« Das ist die erste Erwähnung der Tatsache, daß es bei mir Dinge gibt, von denen ich Ablenkung brauche.
    Und überhaupt liegt er falsch. Im Alter von fünfunddreißig mit seiner Mum und seinem Dad und ihren bescheuerten Freunden ins Kino zu gehen, lenkt einen nicht ab, wie ich feststelle. Es stößt einen gerade mit der Nase drauf. Während wir darauf warten, daß Yvonne und Brian den Süßwarenstand leer kaufen, widerfährt mir ein schreckliches, ernüchterndes, beängstigendes Erlebnis: Die armseligste Figur der Welt schenkt mir ein Lächeln des Wiedererkennens. Die

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