High Fidelity (German Edition)
kein »Ach, Rob« und einen mitleidigen Blick.
»Was möchtest du von mir hören?«
»Ich will, daß du mir sagst, daß du es nicht getan hast, und daß deine Antwort der Wahrheit entspricht.«
»Das kann ich nicht.« Ebensowenig kann sie mir ins Gesicht sehen, als sie das sagt.
Sie will etwas anderes sagen, aber das höre ich nicht. Ich bin draußen auf der Straße, dränge mich durch die ganzen Anzüge und Regenmäntel, wütend und krank und unterwegs nach Hause zu mehr lauten, zornigen Platten, nach denen ich mich besser fühlen werde.
Am nächsten Morgen kommt der Typ, der das Album der Sid James Experience gekauft hat, und tauscht es um. Er sagt, es sei nicht das, für das er es gehalten habe.
»Was dachtest du denn, was es wäre?« frage ich ihn.
»Ich weiß nicht«, sagt er. »Was anderes.« Er zuckt die Achseln und blickt uns drei der Reihe nach an. Wir alle starren ihn an, vernichtet, erschüttert, er sieht verlegen aus.
»Hast du sie dir ganz angehört?« fragt Barry.
»Ich hab' sie nach der Hälfte der zweiten Seite runtergenommen. Gefiel mir nicht.«
»Geh nach Hause und versuch es noch mal«, rät Barry verzweifelt. »Sie gewinnt mit der Zeit. Sie ist ein Gewinner.«
Der Typ schüttelt hilflos den Kopf. Er hat sich entschieden. Er entscheidet sich für eine gebrauchte Madness-CD, und ich stelle die Sid James Experience zurück in den Kasten.
Laura ruft am Nachmittag an.
»Du mußt damit gerechnet haben, daß es passieren würde«, sagt sie. »Es kann dich nicht völlig unvorbereitet getroffen haben. Wie du schon sagtest, ich habe mit dem Typen zusammengelebt. Irgendwann mußte es dazu kommen.« Ihr entfährt ein nervöses und meiner Ansicht nach höchst unpassendes Lachen.
»Und überhaupt versuche ich dir zu erklären, daß das eigentlich nicht der Punkt ist. Der Punkt ist, daß wir uns in einen fürchterlichen Schlamassel manövriert haben.«
Ich möchte auflegen, aber Leute legen nur auf, um wieder angerufen zu werden, und welchen Grund sollte sie haben, mich wieder anzurufen? Gar keinen.
»Bist du noch da? Was denkst du gerade?«
Ich denke: Ich habe mit diesem Menschen ein Bad genommen (nur eins, vor Jahren, aber ein Bad ist ein Bad, versteht ihr?), und mir fällt es bereits schwer, mich zu erinnern, wie sie aussieht. Ich denke: Wäre doch diese Phase vorbei und wir könnten zur nächsten Phase schreiten, der Phase, in der man in die Zeitung guckt und entdeckt, daß Der Duft der Frauen im Fernsehen läuft und sich sagt, ach, den habe ich mit Laura gesehen. Ich denke: Erwartet man von mir zu kämpfen, und womit soll ich kämpfen, und gegen wen soll ich kämpfen?
»Nichts.«
»Wir könnten uns noch mal auf einen Drink treffen, wenn du möchtest. Dann könnte ich es dir besser erklären. Soviel bin ich dir schuldig.«
Soviel.
»Und wieviel wäre zuviel?«
»Was?«
»Nichts. Hör mal, ich muß auflegen. Ich arbeite auch, weißt du.«
»Wirst du mich anrufen?«
»Ich habe deine Nummer nicht.«
»Du weißt, du kannst mich auf der Arbeit anrufen. Dann verabreden wir uns und unterhalten uns richtig.«
»Okay.«
»Versprochen?«
»Ja, ja.«
»Ich möchte nämlich nicht, daß dies das letzte Gespräch ist, das wir führen. Ich weiß, wie du bist.«
Aber sie weiß ganz und gar nicht, wie ich bin: Ich rufe sie die ganze Zeit an. Ich rufe sie später am Nachmittag an, als Barry weggegangen ist, um etwas zu essen, und Dick hinten ein paar Mailorder-Sachen sortiert. Ich rufe sie nach sechs an, nachdem Barry und Dick gegangen sind. Als ich nach Hause komme, rufe ich die Auskunft an und lasse mir Ians neue Telefonnummer geben, und ich rufe mindestens siebenmal an und lege jedesmal auf, wenn er sich meldet. Schließlich errät Laura, was los ist und nimmt selber ab. Ich rufe sie am folgenden Morgen an und zweimal am Nachmittag, und ich rufe sie abends aus dem Pub an. Und nach dem Pub gehe ich rüber zu Ians Wohnung, nur um zu gucken, wie sie von außen aussieht. (Es ist ein dreistöckiges Nordlondoner Haus wie andere auch, allerdings weiß ich nicht, welches Stockwerk seins ist, und sowieso brennt in keinem Licht.) Ich habe sonst nichts zu tun. Kurz, ich bin wieder von der Rolle, so wie ich vor all den Jahren wegen Charlie von der Rolle gewesen war.
Es gibt Männer, die anrufen, und Männer, die nicht anrufen, und ich wäre viel viel lieber einer der letzteren. Das sind richtige Männer, die Sorte Männer, an die Frauen denken, wenn sie über uns jammern. Es ist ein sicheres, solides,
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