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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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Genial.
    Ich nahm mir vor, Trenki anzurufen und ihm zu erzählen, wie wichtig es gewesen war, im Yosemite Rissklettern zu trainieren. Auch wenn ich mich freute, dieser Titel war mir passiert. Mein Saisonziel war ein anderes: Ich wollte den Lead-Weltcup gewinnen.

Zwölf
    Am Anfang der achten Klasse Gymnasium hatte ich zum ersten Mal daran gedacht, mit der Schule aufzuhören. Es lag nicht an der Schule. Das Sport-BORG, unser Bundes-Oberstufen-Real-Gymnasium in Innsbruck ist eine Schule, die speziell auf die Bedürfnisse von Leistungssportlern ausgerichtet ist. Das BORG unterstützte mich nach Kräften, aber am Ende entschied ich mich trotzdem dafür, sie sein zu lassen.
    Es war eine extrem stressige Zeit. Schule, Wettkämpfe, Reisen, Felsklettern, Medienauftritte. Wettkampfklettern war binnen kurzer Zeit zu meinem Beruf geworden. In die Halle musste ich, auf den Fels wollte ich gehen. Meine Freizeit war die Zeit, die ich mit Freunden am Fels verbrachte, und die blieb komplett auf der Strecke.
    Ich war gar nicht schlecht in der Schule. Ich kam ohne große Anstrengungen durch. Mein Talent für Sprachen erlaubte mir, gut Englisch zu sprechen und anständig Französisch. Deutsch konnte ich sowieso, falls Tirolerisch als Deutsch durchgeht. Nur in Mathematik musste ich mich hinsetzen, um zu lernen, aber sobald ich verstand, was einem das alles bringt, war auch das kein Problem mehr.
    Der Gedanke kam nicht von heute auf morgen. Ich hatte schon länger überlegt, die Schule zu schmeißen, aber in der Phase des großen Stresses wurde der Gedanke immer greifbarer. Für Yosemite ließ ich mich drei Wochen freistellen.
    In der Zeit, dachte ich mir, denkst du über die Sache noch einmal nach.
    Aber in Kalifornien nahm meine Lust auf die Schulbank auch nicht zu, im Gegenteil. Ich merkte, was ich vermisste, wenn ich nicht so viel an der Luft, am Fels sein konnte, wie ich wollte.
    Ich sortierte die Gründe, die mir helfen sollten, meine Entscheidung zu treffen. Dabei kam ich immer wieder auf den Gedanken zurück, dass ich gar nicht wusste, was ich mit der Matura eigentlich anfangen sollte. Zu diesem Zeitpunkt war bereits völlig klar, dass ich vom Klettern leben würde, und du brauchst keine Hochschulreife, um ausgezeichnet zu klettern.
    Klar, die Matura öffnet dir viele Möglichkeiten, du kannst studieren, Akademiker werden.
    Aber wollte ich Akademiker werden? Sicher nicht.
    Ich konnte mir vorstellen, irgendwann den Bergführer zu machen, aber dafür brauchte ich sicher keine Matura.
    Dieses Argument überzeugte mich schließlich. Wenn ich mit der Matura nichts anfangen kann, muss ich sie nicht ablegen. Schließlich wollte ich noch nie etwas machen, was mir nichts bringt.
    Natürlich traf ich die Entscheidung nicht allein. Ich redete lange mit meinen Eltern und mit dem Peter. Alle sagten, dass die Entscheidung bei mir läge. Sie fanden es verständlicherweise nicht die beste Idee der Welt, man weiß ja, wie Erwachsene denken. Aber am Schluss sagte meine Mutter nur: »Wenn du das willst, dann werden wir das auch unterstützen.«
    Und Peter, der mir am meisten in den Ohren gelegen war, das lieber noch einmal sehr gut zu überlegen, gestand mir später, als der Schulaustritt über die Bühne gegangen war, dass er selbst die Schule auch geschmissen hatte. Aber seine Frau, die Susanne, eine Lehrerin, hatte ihm verboten, mir das zu sagen, bevor ich mich entschieden hatte.
    Es war also allein meine Entscheidung. Alle drängten mich dazu, noch einmal darüber nachzudenken, aber keiner sagte mir, dass die Entscheidung dumm sei. Jeder sah, dass ich sie mir nicht leicht gemacht hatte, und dass ich das Gymnasium nicht deswegen verließ, weil ich zu dumm oder zu faul für die Schule war. Es war einfach nicht das Richtige für mich.
    Klettern war das Richtige für mich.
    Meine Mitschüler dachten wieder mal, dass ich spinne. Auch das war nichts Neues. Das hatten sie schon vorher gedacht, als ich ankündigte, nur noch klettern zu wollen. Aber als es tatsächlich so weit war, dachten sie, jetzt hebt es ihn komplett aus. Den meisten Lehrern hingegen war es egal. Die kannten sich mit Schulabbrechern aus, und sie zuckten nach den Jahren, in denen sie mir zum Teil kräftig und herzlich entgegengekommen waren, nur noch resigniert die Schultern. Ich kann’s verstehen. Lehrer haben vielleicht Verständnis für Leute, die nicht mehr zur Schule gehen wollen. Aber sie dürfen es nicht richtig finden.

Dreizehn
    Eine Woche nachdem ich die Schule verlassen

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