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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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hatte, brach ich mir den Fuß. Genaugenommen fiel mir ein ziemlich großer Felsbrocken auf den Fuß. Ich war mit Jorg zum Einbohren einer Route ins Zillertal gefahren. Die Route sollte an einem Felsdach, das wie eine Banane aussah, vorbeiführen. Es war unser »Banana Roof Project«. Wir ließen das Auto hinter einem Tunnel kurz vor Ginzling stehen und stiegen eine halbe Stunde zum Jauenkopf zu. Jorg war die erste Seillänge vorgestiegen, er hatte Stand. Ich war gerade damit beschäftigt, unsere Route zu putzen. Das heißt, es ging darum, die Route, die wir eröffnen wollten, zur Wiederholung vorzubereiten. Wenn eine Route einmal eröffnet ist, vertrauen die Kletterer, die sie wiederholen, oft darauf, dass alles, was da ist, hält. Sie prüfen nicht mehr jeden Zentimeter Fels. Dazu waren wir jetzt da.
    Ich befand mich etwa 20 Meter über dem Boden und beschäftigte mich mit der Verschneidung, in der ich hing. Einige Blöcke darin wirkten nicht sehr stabil, also begann ich sie von oben nach unten abzuräumen. Als ich einen der letzten Blöcke aus der Wand zog, merkte ich augenblicklich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Der depperte Block hatte den oberen Teil der Verschneidung gestützt, und dieses Stück Fels schickte sich jetzt an, herunterzukommen. Ich reagierte schnell, stieß mich sofort von der Wand nach rechts ab, um den herunterfallenden Blöcken auszuweichen, und mein rechter Fuß war rechtzeitig in Sicherheit. Der linke allerdings nicht.
    Ein gewaltiger Block, so groß wie ein Bierkasten, flog mir auf den Fuß, der noch in der Luft baumelte. Stumpfer Schmerz. Der Schmerz potenzierte sich, als ich nach dem Zwischenfall versuchte, weiterzuklettern. Innerhalb kürzester Zeit wurde der Fuß blau und schwoll an. Kein Zweifel, da war etwas kaputtgegangen.
    »Scheiße. Alles okay, Fuzzy?«, schrie Jorg von oben.
    »Ich glaube, ich hab mir den Haxen gebrochen. Aber ich komm noch rauf zu dir, dann seilen wir ab.«
    Jorg war mit seinem gebrochenen Haxen ja zwei Wochen lang herumgekraxelt, inklusive Semifinale im Weltcup. Da würde ich wohl noch zehn Meter schaffen.
    Aber Jorg war gescheiter geworden und ließ mich langsam die Wand hinunter. Unten angekommen, legte ich mich hin. Der Fuß war inzwischen unförmig aufgeschwollen, stach und klopfte, und er vertrug überhaupt keine Belastung. Ich machte zwei Fotos. Eins für die Anatomie, das andere für meinen Sportkundelehrer.
    In Situationen wie diesen – Sonntagsalpinisten würden vielleicht »Bergnot« dazu sagen – waren zwischen Jorg und mir keine Worte nötig. Wir würden jetzt durch den Wald hinunterkommen, irgendwie. Wir kamen nicht einmal auf die Idee, die Bergrettung zu holen, geschweige denn nach einem Hubschrauber zu fragen.
    Hubschrauber alarmieren ist ein No Go. Hubschrauber gilt nur in echten Notfällen. Aber davon waren wir ja weit entfernt.
    Jorg nahm meinen Rucksack und stützte mich. Ich hielt mich an Jorgs Schulter fest und hüpfte ihm auf dem rechten Fuß hinterher, hinunter durch den abschüssigen Wald, immer wieder rutschte ich aus und fiel auf den Hintern, und das Hinfallen vertrug der Fuß gar nicht gut. Als wir aus dem Wald herauskamen, hatte Jorg das Rumgehüpfe satt. Das Gelände wurde flacher. Er nahm mich kurzerhand auf den Rücken und trug mich hinunter zum Auto, lagerte mich auf dem Rücksitz ein und fuhr schnurstracks nach Mayrhofen in die Klinik. Das Röntgen brachte Gewissheit: der Mittelfußknochen war gebrochen. Wir fuhren zurück nach Ginzling und Jorg lief schnell hinauf zur Wand, um unser Material zu holen. Auf der Rückfahrt nach Innsbruck begann er plötzlich unmotiviert zu lachen.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Ich weiß, wie wir unsere Route nennen, wenn sie fertig ist.«
    »Wie?«
    »Broken Banana, du Pflaume.«
    Dann lachte er sich halbtot, während ich mich auf dem Beifahrersitz nur zu einem schmalen Lächeln durchringen konnte.
    Ich ließ mir in Innsbruck eine Schiene verpassen. Außerdem schrieb mich der Arzt für zwei Wochen krank.
    Zwei Wochen ohne Klettern.
    Das hielt ich für übertrieben. Ich ging nach einer Woche wieder in die Kletterhalle, um zu bouldern. Aber ich vermied es, in die Matte zu fliegen.
    Dann rief ich Jorg an.
    »Machen wir die Broken Banana fertig.«
    »Du hast einen gebrochenen Fuß, Fuzzy.«
    »Der ist schon wieder okay.«
    »Ich will dich aber nicht wieder durch den Wald tragen.«
    »Du musst nur meinen Rucksack nehmen.«
    Das war okay für Jorg. Er holte mich ab, wir fuhren ins Zillertal,

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