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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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das ist eine gescheite Wand.«
    Ich war ehrlich gesagt skeptisch. Auf den Fotos hatte die Sagwand immer grausig ausgesehen, eine wilde Wand, Exposition Nord, 800 Meter hoch, steil, kalt, nass und schwarz.
    »Bist sicher, Jorg, dass die Wand nicht nur grausig ist?«
    Jorg nickte. In seinem holländischen Tirolerisch sagte er: »Mir sollten’s probieren.«
    Natürlich begann das Sagwand-Projekt mit Warten. Die Sagwand hat nur an wenigen Tagen im Jahr gute Bedingungen. Ich schätze, 2008, als wir es versuchten, waren es nicht mehr als fünf. Das Problem ist die Nässe. Wenn die Wand nass ist, geht sie nicht. Der Gipfel liegt auf rund 3200 Meter. Wenn es im Tal regnet, schneit es oben, und der Schnee geht dann tagelang nicht aus der Wand raus, Klettern ausgeschlossen. Sobald der Schnee dann schmilzt, ist die Wand nass, und es geht wieder nichts.
    Als wir zum ersten Mal einstiegen, ließen wir das Auto auf dem Parkplatz bei der »Touristenrast« stehen. Von dort geht es über einen flachen Forstweg hinein ins Valsertal. Die Sagwand gehört zu den Zillertaler Alpen, aber hineingehen muss man über das Valsertal, von der Rückseite des Zillertals her. Es war stockdunkel, als wir starteten. Bei Sonnenaufgang wollten wir zu klettern beginnen.
    Wir marschierten zügig an den ersten Almen vorbei, der Weg verengte sich zu einem Steig. Wir stiegen zur Geraer Hütte auf und querten dann einen Boden, eine flache Wiese, bis zum Geröllfeld am Fuß der Sagwand. Hier ist der etwa dreieinhalbstündige Zustieg vorbei. Ein steiles Schneefeld von etwa 200 Meter Länge und 45 Grad Steigung führt zum Einstieg in die Vertikale.
    Wir zogen uns die Steigeisen an und gingen das Schneefeld hinauf. Überall Einschlaglöcher von Steinen im Schnee. Ich schaute Jorg an, der dachte das gleiche wie ich: Das Geröllfeld mit Steinen, die zum Teil so groß sind wie die Schafe, die neben den Almen grasen, ist auch nicht zufällig hier.
    In die Wand rein. Gleich am Anfang, zehn Meter über dem Schneefeld, schlug ich einen Normalhaken rein und hängte mich zur Probe mal dran. Okay. Jorg kam nach. Rücksäcke runter, Steigeisen weg und Kletterschuhe an. Ich stieg die erste Länge vor, und weil die nur 25 Meter lang war, hängte ich gleich die zweite dran. Wir machten Tempo. Running Belay: der Erste klettert los, und erst wenn das Seil aus ist, klettert der Zweite nach. Das geht viel schneller, als wenn man mit der vollen Sicherung unterwegs ist. Wir machen das nur im eher einfachen Gelände – die erste Länge hat Schwierigkeitsgrad fünf, die zweite vier. Dann machte ich Stand, und Jorg stieg vor: Es wurde die Schlüssellänge der ganzen Tour.
    Wir wussten zuerst nicht, ob wir links oder rechts weitergehen sollten. Links steht ein riesiger Pfeiler, rund 50 Meter hoch, 30 Zentimeter von der Wand entfernt, im unteren Teil sicher zehn bis fünfzehn Meter breit, aber ständig schmaler werdend bis zu einer Stelle, wo er nur noch einen Durchmesser von einem Meter hat.
    Zu gefährlich: Wenn du an dem Pfeiler »hochbiazt« – mit den Händen die Granitschuppe hältst und deine Füße gegen die Wand dahinter presst –, dann ist es besser, wenn der Pfeiler hält.
    Wir suchten also nach einer Alternative. Die Alternative führte zuerst gerade hoch, dann quer über eine Granitplatte nach rechts und wieder in einer Linksschleife zum nächsten Stand.
    »Wo willst denn da was legen?«, fragte ich Jorg. »Das ist doch eine komplett glatte Platte. Da bekommst weder einen Friend noch einen Normalhaken rein.«
    Er zuckte nur mit den Schultern. Von unten war nichts zu erkennen, also startete Jorg einfach auf gut Glück. Zuerst war es noch relativ leicht. Dann kam ein kleines Dach, an dem man ein bisschen nach rechts queren konnte, dann ging es über ein kleines Podest weiter hinauf. In dieses Podest schlug Jorg zwei Normalhaken hinein, die ganz gut aussahen, und darüber schlug er noch einen ein, der überhaupt nicht gut aussah.
    Es gibt drei verschiedene Arten von Placements, wie wir die Sicherungen nennen: Bomberplacements halten einen Sturz ins Seil aus. Sie sind, wie der Name schon sagt, bombig. Bodyweight-Placements brauchst du nur beim Technoklettern. Sie halten das Körpergewicht, man kann sich also vorsichtig an sie anhängen, aber wenn es dich ins Seil schmeißt, haut es auch die Sicherungen raus. Moralische Placements sind Psychodekoration. Eigentlich dienen sie bloß dazu, dass das Seil irgendwo eingehängt ist. Wenn du nach unten schaust, sieht es aus, als ob

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