High - Genial unterwegs an Berg und Fels
Hilti-Bohrmaschine am Boden in tausend Einzelteile zerschellte. Dagegen war das Klirren, als das Haulbag folgte und sich Haken und Karabiner über den nassen Felsboden verteilten, richtig zart …
Wir legten nach diesem feuchten Start eine Pause von gut einem Jahr ein, dann versuchten wir es ein weiteres Mal. Wir schafften zehn Seillängen, dann wurde wieder das Wetter schlecht, aber wir blieben im Portaledge, entschlossen, bei nächster Gelegenheit weiterzuklettern.
Das Portaledge ist für eine Person konstruiert. Zu zweit hatten wir kaum Platz. Der Kopf von einem von uns hing immer über die Kante. Außerdem war unser selbst gebasteltes Überzelt zu klein. Wir hatten in das Überzelt eines normalen Zelts ein Loch geschnitten und es über das Portaledge gestülpt. Das sollte den Regen abhalten. Aber es half alles nichts: Der, dessen Kopf gerade über den Rand hinaushing, bekam auch noch den Regen ins Gesicht.
Der Regen hörte nicht auf. Nach einer unvergesslichen Nacht im Portaledge beschlossen wir abzuseilen. Wir hatten insgesamt vier Tage in der Wand verbracht, und während dieser Zeit musste uns ein Tourist mit seinem Feldstecher entdeckt haben. Er deutete unsere Bewegungslosigkeit als Hilfsbedürftigkeit und alarmierte die Bergrettung.
Ich sicherte gerade Daniel beim Abseilen, als ich das Geräusch eines näherkommenden Helikopters hörte: »Hubhubhubhub.«
Hubschrauber sind unter Alpinisten verpönte Fortbewegungsmittel. Wenn du dich mit dem Hubschrauber aus einer Wand retten lässt, ist das ungefähr so tapfer, wie wenn du den Buben, der dir in der Sandkiste deine Burg kaputtgemacht hat, von deiner Mutter verprügeln lässt.
Also Körper Richtung Helikopter drehen und das Zeichen machen: linker Arm runter, rechter Arm hoch. Das ist das internationale Zeichen für NO: »Haut ab.«
Der Hubschrauber drehte wieder um.
Und tschüss …
Das heißt nicht, dass ich die Arbeit der Bergrettung geringschätze. Aber sie braucht einen echten Anlass. Ich schlug also mit Daniel die Zeit tot, indem wir diskutierten, was passieren muss, damit wir uns vom Hubschrauber rausfliegen lassen.
Trotzdem, für diesmal mussten wir unseren Aufenthalt im Schlund abbrechen. Wir hatten auch nichts mehr zu essen, und langsam begann der Hunger zu brennen.
Als wir entschieden, abzuseilen, meinte Daniel, wir könnten doch wie beim letzten Mal das Haulbag einfach runterschmeißen: »Wenn es gut zu ist, passiert bestimmt nichts.«
Gesagt, getan. Wir machten den Rucksack gut zu und ließen ihn fallen. Aber er schlug so blöd gegen die Wand, dass das Band, das das Haulbag zusammenhielt, doch wieder aufging, und wie im Jahr zuvor hörten wir das Klingeln der Normalhaken, als sie sich über den Talboden verstreuten …
Nach dem Abseilen also zwei Stunden Ausrüstung einsammeln. Im Regen. Erst dann gab es etwas zu essen.
Zu Ende brachten wir das Projekt dann wieder ein Jahr später, als in einer Schönwetterperiode endlich einmal gute Verhältnisse herrschten. Wir kletterten zehn Seillängen an einem Tag, schliefen im Portaledge, kletterten zwei äußerst anspruchsvolle A3-Techno-Längen, schliefen.
Am dritten Tag sind wir schließlich aus der Wand »gechickened« – wie zwei Hühner rausgeweicheiert. Basta, Schlund
Siebzehn
Es war Jorg, dem das Sagwand-Projekt einfiel. Er hatte die Sagwand einmal in einem Buch gesehen und ist rauf zur Geraer Hütte im Valsertal, um sich die Wand selbst anzuschauen.
In Tirol gibt es wenige Wände aus Granit, die so hoch und so steil sind wie die Sagwand. Jorg und ich mögen Granit. Granit gibt die Linien, denen entlang man klettert, meist viel schlüssiger vor als zum Beispiel Kalk. Eine Granitwand besteht aus vollkommen glatten Platten, zwischen denen ein Riss hinaufführen kann. Wenn sich die Platten überlagern, bilden sie eine Schuppe. Das sind dann oft die einzigen Möglichkeiten, durch die Wand zu kommen. Links und rechts davon: unmöglich. Das macht den Spaß aus.
Granit verlangt das Unbedingte. Keine Abschweifungen.
Im leichten Gelände ist Granit oft blockig. Würfel in allen Größen, einen Meter, fünf Meter, zehn Meter hoch, sind einfach übereinander gestapelt wie überdimensionale Pflastersteine. Lässig zum Klettern. Hinter manchen Blöcken tun sich Spalten auf, du merkst, wie zufällig die Felsen aufeinandergerutscht sind, und du solltest dir schon unten überlegen, ob so ein Gefüge plötzlich zu kippen beginnt oder hält.
Jorg kam von seinem Ausflug zurück und sagte: »Fuzzy,
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