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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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unserer Lampen aufblitzen. Vielleicht kriegte sie auch unsere Flüche mit, weil es uns wie immer zu langsam ging.
    »Halloooo«, rief sie von unten.
    Aber wir hatten gerade keine Lust auf eine Unterhaltung.
    Sie blieb aber hartnäckig.
    »Haaaaallooooo«, rief sie wieder mit hoher, bedeutungsschwangerer Stimme. »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Nein«, riefen wir im Chor zurück, aber das war nicht das, was die Frau hören wollte.
    »Brau!Chen!Sie!Hilfe!«, brüllte sie, und da riss Jorg der Geduldsfaden.
    »Flieg ab«, rief er hinunter, und ich übersetzte ihr diesen schönen, tirolerischen Wunsch mit einem präzisen »Mach die Fliege!«
    Unsere Retterin hörte immer nur »Fliegen«. Also rauschte sie ab und holte den Rettungshubschrauber.
    Wir waren fast unten, als wir das Schlagen der Rotoren hörten. Ein Minute später stand der Rettungshubschrauber uns gegenüber in der Luft und leuchtete mit dem Suchscheinwerfer in die Wand, bis der Lichtkegel uns erfasst hatte.
    Als ob wir Synchronschwimmer wären, gaben Jorg und ich Antwort: linker Arm nach unten, rechter nach oben. Macht die Fliege!
    Der Hubschrauber drehte ab. Wir seilten uns fertig ab.
    »Wir haben noch eine Stunde Zeit«, sagte Jorg. »Katha wird schauen.«
    Aber kaum waren wir unten angekommen, waren wir es, die etwas zu schauen hatten. Es war nämlich nicht nur der Hubschrauber ausgerückt, sondern ein ganzes Kommando der Bergrettung, dem wir jetzt erklären mussten, was wir bei Dunkelheit in der Wand verloren hatten. Sie meinten, die deutsche Touristin habe uns als »hilflos identifiziert«, aber die Jungs waren schnell davon überzeugt, dass wir kein überflüssiges Risiko eingegangen waren – der eine oder andere hatte schon von uns gehört –, dafür wollten sie mit uns über andere alpinistische Heldentaten plaudern, und als wir uns schließlich verabschieden durften, war die Reservestunde, die wir uns für die Wette gegen Katha erarbeitet gehabt hatten, verbraucht.
    Gut, dass wir damit gerechnet hatten zu verlieren. Es ging bloß um Kathas Lieblingsdrink. Einen Malibu. Das Geld, das dafür anfiel, kratzten wir gerade noch zusammen.

Neunzehn
    Ich zog Bilanz nach drei Saisonen im Weltcup. Meine erste Saison, 2006, war super verlaufen. Der zweite Platz im Lead-Weltcup war ein fantastisches Ergebnis, wobei – natürlich dachte ich hin und wieder darüber nach, dass ich eine gute Chance vergeben hatte, gleich in der ersten Saison den Gesamtweltcup zu holen. Aber dann erinnerte ich mich, wie großartig Yosemite gewesen war und was mir entgangen wäre, wenn ich, statt nach Amerika zu fliegen, sämtliche Wettkämpfe absolviert hätte. Nein, die Entscheidung war schon okay gewesen.
    Ich hatte 2006 ungeheuer viel trainiert, und ich trainierte 2007 nicht weniger. Aber meine Motivation spielte nicht mit. Ich erkannte, dass ich zwischen Erlebnissen am Fels und Ergebnissen in der Halle ein Gleichgewicht herstellen musste. Nur Halle, das reichte mir nicht. Ich gewann zwar die Europameisterschaft in Birmingham und den Lead-Weltcup in Imst, aber ich leistete mir auch kräftige Abstürze und mehrere Wettkämpfe, bei denen ich nicht einmal das Finale erreichte. Gesamtergebnis: nicht berauschend.
    In der Saison 2008 lief es deutlich besser. Ich konzentrierte mich in dieser Saison aufs Bouldern, verpatzte zwar den Start in Hall, wo ich nur Dreiundzwanzigster wurde, gewann dafür den nächsten Wettbewerb auf La Réunion im indischen Ozean.
    La Réunion war ein Traum. Wir lagen vor dem Wettkampf am Strand in der Sonne, gingen schnorcheln, bewarfen uns mit Sand, aßen unglaublich gute exotische Früchte, ich hab den Geschmack heute noch am Gaumen. Dann gewann ich den Wettkampf vor Kili und Jorg. Ein Traumpodest! Und nachher probierten wir uns durch die Cocktails durch. Irgendwann spät am Abend kamen wir drauf, dass wir unsere Pokale irgendwo liegengelassen hatten, dann mussten wir noch einmal durch alle Bars ziehen – aber gefunden haben wir sie natürlich nicht mehr.
    Wenn irgendwer über einen Pokal stolpert, auf dem Weltcup La Réunion, 2. Mai 2008, 1. Platz, steht, soll er ihn bitte postlagernd an mich in Götzens schicken.
    Am nächsten Tag Canyoning im »Fleur Jaune«, einem berühmten Wasserfall auf Réunion. Das war das Einzige, was mich etwas enttäuscht hat. Wir ließen uns mit dem Seil durch den Wasserfall hinunter, und abgesehen davon, dass du nass wirst, war es so wie immer, wenn wir uns abseilten. Um sich abzuseilen, muss man nicht nach Réunion.
    Ich wurde

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