High - Genial unterwegs an Berg und Fels
geflogen, und der Haken hatte nicht gehalten. Das war bitter. Ich hatte mich am Fels immer sicher, geradezu unsterblich gefühlt, und jetzt war ich zum ersten Mal gestorben, und ich musste schauen, dass ich diese Kälte, die ich nicht gekannt hatte und nie kennenlernen wollte, wieder aus meinem Brustkorb rausbringe. Das war das Ende meiner Unsterblichkeit.
Ich tröstete mich, indem ich wie ein Gebet wiederholte, dass es richtig ist, seinem Gefühl zu folgen. Ich hatte den Haken als gut eingeschätzt. Ich hatte meinem Gefühl vertraut, dem ich immer vertraut hatte, und mein Gefühl sagte mir, dass es okay wäre zu stürzen.
Aber es war nicht okay. Diesmal hatte mich mein Gefühl getrogen.
Ich rekapitulierte die vielen Stürze, die ich beim Sportklettern erlebt hatte. Beim Sportklettern fliegst du dauernd, da gibt es zwei Möglichkeiten, eine Route zu beenden, zwei logische Enden: Fliegen oder Durchsteigen. Ich hielt mir meine Sprünge im Yosemite vor Augen, wo ich in die Friends, die ich gelegt hatte, reingesprungen war wie ein Depperter.
Aber in so einer Wand ist das etwas anderes. Natürlich habe ich keine Angst vor der Höhe. Aber das Ausgesetzte, das Dramatische des alpinen Kletterns, sickert über das Unterbewusstsein in die Wahrnehmung ein, und wenn die sich als Schock manifestiert, wird auch das Risiko greifbar, eine Realität.
Die Begegnung mit der unmittelbaren Gefahr.
Es ist keine Angst, nein, aber Respekt.
Diese Art von Respekt war neu, und sie ist immer noch da. Ich begriff, dass nicht nur das Unbekannte, Neue Respekt gebietet, sondern auch die Herausforderungen, die man nach einiger Zeit guter Kletterei für alltäglich hält. Die Sagwand war mein erster großer alpiner Erfolg, und ich habe das Gefühl, dass mir dieser Erfolg unter die Haut gegangen ist wie kein anderer.
Spaß und Risiko begegnen sich, aber sie bedingen sich nicht.
Eine schöne Linie zu klettern heißt nicht automatisch, dass die Linie auch gefährlich ist, und umgekehrt stimmt das erst recht nicht. Ich genieße die Schönheit des Kletterns, nicht seine Gefährlichkeit. Aber ich bin bereit, Risiken einzugehen, wenn die Route ohne Risiko nicht zu machen ist.
Die Schönheit des Kletterns ist der Wert, der alles bestimmt. Natürlich hat auch die Schwierigkeit ihre Reize, aber niemand sucht sich eine Route aus, nur weil sie schwierig ist. Sie muss logisch sein, sie muss dem folgen, was die Wand vorgibt. Risse, Kamine, Verschneidungen laden ein, sich an ihnen zu orientieren, du musst die Einladung nur annehmen.
Es ist ein Genuss, die Sagwand heute anzuschauen und unsere Linie zu prüfen, wie sie gerade nach oben zieht und oben den logischen Knick bis zum Ausstieg macht. Die Linie ist logisch. Sie leuchtet ein, und das hat für jeden Kletterer etwas Berührendes.
Auch andere Touren in derselben Wand sind großartig, zum Beispiel »Der schiefe Riss«. Er fängt ganz rechts in der Wand an, geht dann im leichten Gelände etwas hinauf, folgt einem Band quer durch die Wand und führt über einen Kamin zum Ausstieg. In der Halle würde man diese Linie nicht als schön bezeichnen. Hier schon.
Risiko gehört zum Klettern wie zu vielen anderen Sportarten und Lebensbereichen. Aber ich fürchte es nicht. Wenn auf dem Cerro Torre Stücke eines Eisturms abbrechen, ist das riskant – wenn man daruntersteht. Aber die Eislawine ist auch ungeheuer schön. Sie zeigt, wie winzig unsere Rolle in dem Spiel der Natur ist. Das Risiko kann man kitzeln, herausfordern, reizen. Ich nehme es vorsichtig in Kauf, um das erleben zu können, was ich erleben möchte.
Achtzehn
Der nächste Hubschrauber kam, als ich mit Jorg im Stilluptal unsere Route »Wasserfall Hans« einbohrte. Die Route begann direkt oberhalb eines viel begangenen Wanderwegs. Wenn wir beim Einbohren nach unten schauten, sahen wir regelmäßig Leute dastehen, die uns zuschauten.
»Was machen denn die mit der Bohrmaschine?«
Du hörst die deppertsten Kommentare. »Hängen die ein Bild auf?« Wir wollten die Tour anschließend frei klettern. Unser Zeitplan war ehrgeizig. Wir waren abends mit Jorgs Freundin Katharina verabredet, und weil sie uns nicht zugetraut hatte, die Tour einzubohren und pünktlich am Abend wieder in Innsbruck zu sein, hatten wir eine Wette abgeschlossen. Entsprechend gaben wir Gas.
Es war dunkel geworden. Die Route war eingerichtet. Wir seilten uns mit unseren Stirnlampen ab. Währenddessen kam eine Touristin den Wanderweg entlang, hörte uns reden und sah die Lichter
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