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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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Dritter in Grindelwald am Eiger, verpatzte den Wettkampf in Vail/Colorado, gewann in Fiera di Primiero/Trentino, wurde in Montauban bei Toulouse Dritter und beim Lead-Weltcup in Chamonix Vierter.
    Mir fehlten bloß die Ergebnisse von Hall und Vail, und ich hätte Kilian, der einmal mehr den Gesamtweltcup im Bouldern gewann, ernsthaft ärgern können. So beendete ich die Bouldersaison auf Platz zwei der Gesamtwertung. Das war okay. Das konnte man mit gutem Gewissen feiern. Wie feiert man besser, als in Chamonix klettern zu gehen?
    Kilian Fischhuber, Babsy Bacher, Heiko Wilhelm und ich fuhren am Tag nach dem Lead-Wettbewerb mit der Seilbahn hinauf auf die Aiguille du Midi, 3842 Meter. Von der Bergstation geht man durch einen Tunnel und dann über eine Brücke auf den Nebengipfel. Dort seilt man sich ab, um von unten wieder hinaufzuklettern, eine Route von ungefähr 300 Metern.
    Babsy und Heiko waren ein Team, Kili und ich das andere. Ich stellte, bevor wir uns abseilten, mein offenes Haulbag hin: »Haut rein, was ihr mitnehmen wollt.«
    Ich dachte mir, dass sie halt das Nötigste reinpacken würden, eine Jacke, was zu trinken, ein paar Müsliriegel. Den Rest konnte man ja bequem oben liegen lassen, und ich hätte das Haulbag von zwei Kilo Zusatzgewicht leicht mit der Hand nachziehen können. Aber die Komiker packten ihr gesamtes Zeug hinein, und plötzlich musste ich einen Sack von 30 Kilo an einer Sechs-Millimeter-Schnur hinter mir herschleppen.
    Beim Hinaufklettern ging es Heiko plötzlich schlecht. Er hatte Probleme wegen der Höhe. Babsy musste alles vorsteigen. Weiter oben in der Wand befand sich noch ein Team, das bemitleidenswert langsam war. Einer von ihnen hatte einen Eispickel hinten am Rucksack, und ich weiß noch, dass ich dachte, der Pickel ist verkehrt herum am Rucksack befestigt, machte mir aber keine weiteren Gedanken. Da war ich liberal: Jeder soll seinen Pickel am Rucksack tragen, wie er will.
    Ein paar Minuten später, Kili war gerade am Vorsteigen, hörte ich ein helles Geräusch von oben: »Tsinnnnnng.«
    Der Pickel.
    Er schlug drei Meter über Kili an die Wand, fetzte zwei Meter an seinem Rücken vorbei, ich duckte mich und schrie »Achtung, Pickel!«, dann war das Teil perdu. Seither bin ich nicht mehr so liberal in Fragen der Pickelmontage.
    Langsam kamen wir zeitlich unter Druck. Um fünf ging die letzte Bahn ins Tal, und wir waren noch nicht dort, wo wir sein sollten. Der Gedanke, neben der Bergstation biwakieren zu müssen, machte mir schlechte Laune. Ich rief nur kurz: »Kili, Gas geben«, und Kili gab Gas. Wir kletterten die letzten Seillängen also Vollgas, ich war als Zweiter auf dem Gipfel, Kili wartete auf Babsy und Heiko, während ich barfuß über den Schnee zur Bahn hinunterrannte, um die letzte Gondel aufzuhalten: »Wartet! Wartet! Es kommen noch drei!«
    Aber die Typen interessierte es nicht ein bisschen, dass noch drei kamen. Sie interessierten sich vor allem für ihren Fahrplan und dass sie selber heimkonnten: »Ihr habt noch eine Viertelstunde. Dann fahren wir.«
    Wir schafften es ums Arschlecken. Wir fuhren mit der Bahn hinunter, hungrig, verschwitzt, ausgetrocknet, schmissen unten bloß unser Zeug vor die Talstation und ruhten uns erst mal aus.
    Kili holte Bier.
    Dann holte noch wer Bier.
    Dann holte ich noch Bier.
    Am Schluss tanzten wir in Unterhosen durch Chamonix, die Steigeisen an den Füßen, ein Seil um den Bauch gebunden, das riesige Haulbag im Schlepptau, und wollten noch auf einen Sprung ins Casino gehen. Die ließen uns aber nicht rein. Wir seien nicht passend angezogen. Spießer.
    Ich startete später im Jahr noch bei einem Lead-Weltcup, beim Heimwettkampf in Imst. Ich hatte genau dreimal trainiert, und unter normalen Umständen hätte ich maximal ins Halbfinale kommen dürfen. Aber es lief mir gut hinein. Ich kam nicht nur ins Halbfinale, sondern gewann den Wettkampf sogar, und mit dem Wettkampf gewann ich auch die kombinierte Weltcup-Gesamtwertung von Lead und Bouldern, vor meinem Freund Jorg.
    Schließlich stand in Paris noch die Verteidigung meiner Europameistertitel in Lead und Bouldern auf dem Programm. Aber es kam nicht dazu. Bei einem Versuch, unser Projekt, eine freie Route durch die fast 1000 Meter hohe Wand des Monte Brento, in der Nähe von Arco, einzurichten, blieben Jorg und ich eine Nacht lang bei Regen und Kälte im Hüftgurt hängen, und mich erwischte das Pfeiffer’sche Drüsenfieber. Das legte mich für einen Monat flach, inklusive

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