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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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einmal. Ich habe ein schlechtes Gefühl. Ich schaue nach oben und sehe eine Bohrhakenleiter.
    »Das ist nicht mein Stil«, denke ich. »Wenn schon technisch klettern, dann keine fade Bohrhakenleiter.«
    Ich habe nichts dagegen, technisch zu klettern, wenn freies Klettern nicht möglich ist. Auch Techno-Klettern hat was – eine Bohrhakenleiter aber hat nichts. Wir seilen ab. Unten beschreiben wir Stef und Giovanni die Lage und entscheiden, eine andere Linie zu suchen.
    Zur selben Zeit war auch eine ukrainische Expedition im Tal. Der Kletterer Wolodja Mogila, der den Asan kennt wie kein Zweiter, brachte uns auf die richtige Idee. »Die Timofeev-Route sollte gehen«, sagte er, und er meinte natürlich: Wir könnten sie als erste Seilschaft frei klettern.
    Die Route ist etwa 800 Meter lang, technische Schwierigkeit A3. Sie wurde 1988 erstbegangen, als russische Kletterer hier Alpinwettkämpfe um die schwierigsten Techno-Routen austrugen. Wir entschieden, dass wir die Timofeev-Route frei probieren.
    Die andere Linie gaben wir auf. Der Gescheitere gibt nach. Wir holten unser Material herunter, nahmen die Fixseile aus der Wand und stellten den Urzustand wieder her. Am selben Tag begannen wir mit der neuen Tour.
    Nina und ich machten drei Seillängen, super Fels, die Platten hatten gute Leisten. So machte die Sache wieder Spaß. Im Fels winzige Haken, in die man besser nicht fliegt. Dann wurde es schwieriger. Robert, der vom Stand zusah, notierte, was folgte, mit deutscher Genauigkeit in sein Reisetagebuch:
    »Einige Meter unter Davids Füßen ist die letzte Zwischensicherung, ein Bohrhaken von 1986, dessen angerosteter Stift gerade mal vier Millimeter stark ist. Eine echte Gurke, sie hält das Körpergewicht, aber zum Stürzen war sie nie gedacht. Ob sie hält, was sie nie versprochen hat?
    Vielleicht denkt David daran, dass er den Bohrhaken herauszieht, wenn er fällt, dass es mit dem nächsten genauso gehen wird, dass er zehn oder zwanzig Meter über die Platte hinunterrumpeln wird und sich die Bänder reißen oder das Bein brechen kann. Vielleicht denkt er daran, dass es einfach klappen muss, dass schon was kommen wird, an dem man sich festklammern kann. 9- ist es bis jetzt, vielleicht auch schwerer. Das ist weit unter seinem Onsight-Limit. Aber der Fels hier besteht nicht aus lustigen, bunten Plastikgriffen, sondern ist eine verdammt rutschige und unübersichtliche Platte. Da kann man sich gar nicht vorstellen, dass es so etwas gibt – Reibungsplatten im neunten Grad. Die Erstbegeher sind hier technisch, mit Bathooks, hoch. Ab und zu sieht David die winzigen Löcher, die schweißtreibend mit dem Bohrmeißel gehämmert wurden. Auch nicht ohne, an zwei Millimetern Stahl zu hängen. Und fallen sollte man ebenfalls nicht. Aber es ist ein anderes Spiel, eines ohne Kraft. Nerven und Stahl halten einen, nicht Muskeln und Finger.
    Was David in die Hand bekommt, ist enttäuschend – statt einer guten Leiste ein paar runde Quarzkörner. Er schaut kurz zurück, überlegt sich, ob er den Zug wieder abklettern soll und das Ganze etwas weiter links oder rechts angehen. Aber ein Zurück gibt es nicht mehr.
    Von hier sind es nur noch wenige Zentimeter bis zum nächsten Haken. Er streckt sich, aber zum Einhängen reicht es partout nicht. Wäre der Haken nur von einem Freikletterer gesetzt, man hätte ihn einfach zehn Zentimeter tiefer platziert! Dann käme man hin. Jammern hilft nicht – nur weiterklettern. Zum Chalken bleibt keine Zeit mehr, jeden Moment kann David abrutschen. Noch einmal steht er in einer kaum zu bemerkenden Delle, holt kurz Luft und Schwung, streckt sich, greift am Haken vorbei zu einem Absatz. Seine Augen sind in diesem Moment auf das Ziel fixiert wie die Augen eines Adlers auf die Beute.
    Wenn das nichts wird, dann fällt er.
    Am Stand ist es still. Wir schauen nach oben, hoffen auf das Beste und bereiten uns auf das Schlechteste vor. Das Seil liegt in der Hand, mit gutem Abstand zum Sicherungsgerät, der Körper ist tiefer als der Stand, damit man der Sturzwucht langsam entgegenkommen kann.
    Davids Hände greifen auf die Leiste. Sein Körper ist für einen Augenblick still. Ist es nur der tote Punkt in der Bewegung oder hat er den Griff? Dann sehen wir, wie er blitzschnell eine Expresse vom Gurt zückt und einhängt. Ich denke unwillkürlich an Lucky Luke, der schneller ziehen kann als sein Schatten.
    ›JAAAAAAA!!!‹
    Ein heller Ruf voll Freude tönt herunter. Die Seillänge ist geschafft. Die

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