High Heels im Hühnerstall
mit dem Taxi für eine Art vorgezogenem Junggesellinnenabschied nach Newquay gefahren, obwohl von Junggesellinnen eigentlich keine Rede sein konnte, und …«
»Und was hat das mit unserem Problem zu tun?«, fragte Wendy ungeduldig.
Sophie bemühte sich sehr, ihr Mitgefühl beizubehalten, das sich, mit der irritierendsten Frau der Welt konfrontiert, in Sekundenschnelle in einen extremen Gewaltimpuls zu verwandeln drohte.
»Wenn Sie mich ausreden lassen würden … Wir sind in einen Nachtclub gegangen, und dort habe ich Seth gesehen.«
»Du hast ihn gesehen?«, fragte Louis fassungslos. »Du hast Seth getroffen, und sagst mir das erst jetzt? «
»Ich weiß, ich wollte es dir sagen, aber ich kam nicht dazu, weil das eine oder andere …«, antwortete Sophie und riskierte ein schwaches Lächeln. Sie wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Sie hätte ihm von Seth berichten können, ja müssen, sobald sie ihn heute in aller Frühe aufgeweckt hatte. Es hatte mehr als nur eine Gelegenheit dazu gegeben, aber sie hatte sich dagegen entschieden, weil sie in diesen kostbaren Stunden ihre Seifenblase wieder herstellen wollte, ihre und Louis’ kleine Welt, in der nichts an sie herankommen konnte. »Jedenfalls habe ich ihn gesehen, und er war wirklich betrunken und ziemlich wütend, deshalb habe ich …«
»Warum hast du mich nicht angerufen?«, fragte Louis gereizt.
»Das habe ich, aber du bist nicht drangegangen«, raunzte Sophie ihn an. Sie konnte es nicht fassen, dass sie sich auf einmal verteidigen musste.
»Du hättest mir eine Nachricht hinterlassen können«, konterte Louis.
»Natürlich, aber ich dachte, es wäre am besten, deinen Sohn von der Straße zu bekommen, bevor ihn womöglich ein Taxi überfuhr.« Sophie fühlte sich in die Ecke getrieben, aber sie holte Luft und sprach weiter, entschlossen die Informationen, wenn auch ein bisschen verspätet, weiterzugeben. »Wie gesagt, er war wirklich betrunken, wütend und ein bisschen streitsüchtig. Er wollte eine Schlägerei mit einem Typen provozieren, und ich hielt es für das Beste, ihn da hinauszuschaffen, bevor er in irgendwelche Schwierigkeiten geraten konnte. Aber er hat sich geweigert, zu Wendy zurückzufahren, und ich dachte, ich würde kein Taxi finden, das ihn die ganze Strecke bis nach Falmouth bringen würde oder dass er sich noch an seine Adresse erinnern würde, deshalb … Deshalb habe ich ihn zur Pension gebracht, um ihn dort auszunüchtern.« Sophie ließ den letzten Teil des Satzes in der vagen Hoffnung schnell hervorsprudeln, dass Louis und Wendy ihn nicht hören würden und sie diesen Teil überspielen konnte.
»Was haben Sie getan?«, fragte Wendy. »Sie haben meinen Sohn mit in Ihre Pension genommen? Wozu?«
»Um ihn auszunüchtern, wozu sonst?«, antwortete Sophie, doch die Erinnerung an den dummen Kuss schwächte ihre Überzeugungskraft ein bisschen ab.
»Moment mal«, sagte Louis und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, die vom Schlaf und Sex noch immer zerzaust waren. »Ich brauche eine Sekunde, bis ich das begreife. Du wusstest, wo Seth steckte, und hast es mir nicht gesagt? Das verstehe ich nicht, Sophie, warum hast du mir nichts gesagt?«
»Ich weiß nicht«, log Sophie. »Ich vermute, ich wollte den richtigen Zeitpunkt abwarten. Tut mir leid, okay? Ich hätte es dir früher sagen müssen, aber ich erzähle es dir ja jetzt.«
»Und, wo ist er?«, wollte Wendy wissen. »Ist er noch in der Pension?«
»Hm, nein …« Sophie spürte, wie ihr das Herz noch tiefer in die Hose rutschte. Sie hatte den besorgten Eltern nicht nur Informationen vorenthalten, jetzt musste sie ihnen auch die Nachricht beibringen, dass sie Seth wieder aus den Augen verloren hatte. »Er ist auf dem Sofa eingeschlafen, während ich ihm Kaffee gemacht habe, aber als ich ihn aufgeweckt habe, schien es ihm viel besser zu gehen, er war deutlich gefasster. Er hat den Kaffee getrunken, und wir haben uns ein bisschen unterhalten, als …« Entscheide von Fall zu Fall, hatte Cal gesagt. Dabei hatte er gewiss nicht mit zwei wieder vereinten, geschweige denn wütenden Elternteilen gerechnet, die jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legten. Es war definitiv keine gute Idee, zu erwähnen, dass Seth sie geküsst und dass sie den Kuss erst mit ein paar Sekunden Verspätung abgebrochen hatte. Dagegen war es eine ausgezeichnete Idee, den Kuss nie und nimmer zur Sprache zu bringen und intensiv darum zu beten, dass Seth entweder zu betrunken gewesen war, um sich
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