High Heels und Gummistiefel
es dir irgendwie... mies gegangen.«
»Ist es auch. Sehr mies.«
Etienne goss ihnen beiden Kaffee ein und bot Daisy die Zuckerschale an. Sie ließ ein Stück in den Kaffee plumpsen und rührte um.
»Ich wünschte, ich hätte es früher gewusst, du weißt schon, das mit, äh... Hast du Milch?«
»Ah, nein. Entschuldige.« Jäh erhob er sich. »Ich gehe und hole dir welche.«
Mein Held, dachte Daisy.
»Bitte, nein, es geht schon«, wehrte sie eilig ab. »Bestimmt sind alle Läden noch zu. Ich trinke ihn schwarz, wie die Franzosen. Das wird ein Abenteuer.«
Etienne setzte sich wieder. Beide nippten an ihrem Kaffee, dann sagte er: »Entschuldigung, normalerweise bin ich nicht so... Du hast mich überrumpelt, vollkommen. Ich kann gar nicht glauben, dass du hier bist.«
»Ich bin hier. Wirklich.«
»Nein, das glaube ich dir nicht«, widersprach er, das Kinn in die Hand gestützt. »Das ist ein Traum.«
Daisy streckte die Hand aus und kniff ihn sachte in den Arm. Etienne fing ihre Hand mit der seinen ein. Langsam verschlangen sich ihre Finger ineinander.
»Ist die neu?«, erkundigte er sich und deutete auf die Herzbrosche auf ihrem Mantelrevers. »Die habe ich noch nie gesehen.«
»Oh, die habe ich schon seit Jahren. Aber sie war eine Weile
irgendwie... verschollen. Dann habe ich sie wiedergefunden, ist noch gar nicht lange her.«
Etienne nickte und legte ihre Hand auf sein eigenes Herz. Dann zog er die andere an den Mund und küsste die Handfläche. Daisy war froh, dass sie saß. Das Zimmer schwankte ein wenig.
»Ich glaube, wir sollten gehen«, sagte Etienne nach einer weiteren Pause. »Ein Stück spazieren.« Er stand auf und hielt noch immer ihre Hände umfasst. »Es gibt viele Dinge, die ich dir sagen muss. Alles, was ich im Februar sagen wollte. Und jetzt ist es Morgen. Schau.«
Daisy schaute: Goldenes Licht drang überall an den Rändern der Jalousie herein. Sie lächelte Etienne an. Jetzt konnten sie einander viel besser sehen.
»Gehen wir zum Fluss«, schlug Etienne vor und lächelte zurück.
Draußen waren die Straßen immer noch still, und eine Weile hatte es beinahe den Anschein, als wären sie und Etienne allein in der Stadt. Sie fanden ein wenig mehr Betriebsamkeit vor, als sie am Flussufer herauskamen. Etliche bouquinistes stellten bereits ihre Stände auf.
Ein paar Fitness-Enthusiasten joggten an ihnen vorüber. Seite an Seite gingen Etienne und Daisy an der Seine entlang, vorbei an Notre-Dame und auf die Pont des Arts zu. Zuerst waren sie beide stumm, dann nahm Etienne abermals ihre Hand und fing an, ihre erste Begegnung in allen Einzelheiten zu beschreiben: Wie Daisy ausgesehen hatte, was sie gesagt hatte.
»Ich war nicht auf dich gefasst gewesen, weißt du. Damals hattest du diesen rosa Mantel an, der, von dem du gesagt hast, er bringt Glück. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du so schön bist. Ich dachte, du bist mehr -«
»Ein abgedrehter Modefreak?«
»Nun ja, meine Quelle war Clothaire. Er hat gesagt, du wärst
pas mal, physiquement, aber... Sagen wir einfach, er hat sehr rigide Vorstellungen davon, wie sich junge Frauen kleiden sollten«.
»Ja. Chacun à son goût.«
»Genau. Und dann hat sich herausgestellt, dass du so unglaublich interessant warst, eine viel größere Expertin, als man mich hat glauben lassen. Du warst ein Geschenk des Himmels. Und... am Ende unseres zweiten Treffens war ich bis über beide Ohren in dich verliebt. Ein Glück, dass ich all unsere Gespräche aufgezeichnet habe, damit ich sie später noch einmal abspielen konnte. Weil, die meiste Zeit war ich so abgelenkt von deinem... Aussehen..., dass ich mich überhaupt nicht konzentrieren konnte.«
»Warst du deswegen die meiste Zeit so still?«
»Ja. So um Weihnachten herum wusste ich, dass es ernst war. Der Januar war ein schlimmer Monat. Ich habe die ganze Zeit nur noch daran gedacht, wie ich es dir sagen sollte, aber ich wusste ja, dass du einen Freund hattest, und du schienst glücklich zu sein. Und außerdem wollte ich deinen Gedankenfluss nicht unterbrechen. Unsere Gespräche waren kostbar für mich.«
Entzückt drehte Daisy sich zu ihm um. »Du hast dich wirklich für das interessiert, was ich zu sagen hatte?«
»Natürlich«, antwortete er verblüfft. »Mode ist für dich mehr als eine Leidenschaft – sie ist deine Lebensphilosophie. Eine ergiebigere Wissensquelle hätte ich mir gar nicht erhoffen können.«
Sie waren jetzt am Quai de Conti. Die Pont des Arts war in Sicht. Sie stiegen die
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