High Heels und Gummistiefel
von Fern (die das Gericht schwärmerisch als »wundervollen Schlankmacher« pries), war sie nicht mehr so sicher.
»Also, Izbl«, fragte Lucy vom Kopfende der Tafel her, »wie ist es zu Ihrem großen Interesse an Meredith Quince gekommen?«
Dankbar legte Isabelle ihre Gabel hin und erklärte, dass sie ihren ersten Quince-Roman - Pink Gin unter dem Rasen oder, um den französischen Titel zu nennen, Petit cocktail au cimetière - rein zufällig gelesen hätte, als sie im Ferienhaus einer Freundin darauf gestoßen sei. Sie hatte ihn interessanter gefunden als andere Vertreter des Krimi-Genres. Dann hatte sie angefangen, Quince systematisch zu lesen, und zwar die englischsprachigen Originalausgaben, und nach und nach war aus einem Hobby die Basis für ihre wissenschaftliche Forschungsarbeit geworden. Da es ihr widerstrebte, vor Fremden über The Splodge zu sprechen, äußerte sich Isabelle eher ausweichend über das genaue Thema ihrer Doktorarbeit, sagte jedoch genug über ihr Interesse an Erzählmustern und der Soziologie des Kriminalroman-Genres, um eisiges Schweigen in der Tischrunde zu erzeugen.
Nach einer kurzen Pause brachte Lucy, deren stechende blaue Augen etwas glasig waren, eine Antwort zustande. »Verstehe. Ha. Alles sehr kurzweilig, sehr kurzweilig.«
Fern, die neben Isabelle saß, fügte entschuldigend hinzu: »Sehen Sie, wir von der Society sind nur das, was man als ganz gewöhnliche Fans bezeichnen würde. Wir finden einfach nur die Bücher wirklich wunderbar.«
Durch Lucys vorübergehendes Schweigen mutiger geworden, schaltete sich auch Wendy ein: »Ein paar von den Romanen haben wir als Theaterstücke aufgeführt, manchmal nur eine oder zwei Szenen, aber es war immer ein Riesenspaß. Wir wechseln uns alle damit ab, Lady Violet zu spielen. Oder wir unternehmen kleine Expeditionen, Ausflüge mit einem bestimmten Thema, Sie wissen schon.«
»Letztes Jahr sind wir alle zu dem Theater gefahren, das in Der Tod der Bauchrednerin erwähnt wird«, erzählte Herbert und errötete ein wenig. »Das habe ich organisiert.«
»Ja, ja«, unterbrach die deutlich forschere Lucy. »Aber auf uns warten sogar noch größere Sensationen. Ein Besuch im Haus der Autorin. Sagenhaft!«
»Oh, wo ist ihr Haus denn?«
»Es überrascht mich ja, dass Sie das nicht wissen, Izbl«, bemerkte Maud ein wenig kritisch.
»In der Nähe von Kew«, antwortete Fern. »Dort hat sie den größten Teil ihres Lebens verbracht, nachdem sie nach England gezogen ist. Geboren wurde sie in Indien, das wissen Sie bestimmt.«
»Lucy«, wandte Fern sich bittend an die Gastgeberin, »könnten Sie ihn nicht jetzt gleich anrufen und einen Termin ausmachen? Wir wüssten alle so gern, wann wir hinfahren.«
»Hört, hört«, riefen etliche Mitglieder der Society.
Lucy verdrehte in gespielter Entrüstung die Augen und trabte davon, um zu telefonieren. Während sie fort war, erläuterten die anderen Isabelle, was für eine aufregende Entwicklung dies sei. Seit ihrer Gründung Anfang der 70er Jahre hatte sich die Quince Society darum bemüht, Zutritt zu Merediths Haus zu bekommen. Das war eine Zeit gewesen, in der Meredith Quinces Romane kurz nach ihrem Tod völlig aus der Mode gekommen waren. Merediths Haus war an ihren jüngeren Bruder vererbt worden, und nach dessen Tod an seinen Sohn Philip. Dieser besaß allem Anschein nach kein künstlerisches oder auch nur besonders wohlwollendes Naturell und hielt auf jeden Fall sehr wenig von dem Werk seiner Tante. Und was das Ansinnen betraf, Leute, die er für reine Spinner und Wichtigtuer hielt, in sein neues Heim zu lassen, das kam für ihn überhaupt nicht in Frage.
»Aber jetzt hat er es sich anders überlegt?«, fragte Isabelle. »Er nicht, nein«, erklärte Peter. »Philip und seine Frau wohnen nicht mehr in dem Haus. Sie sind letztes Jahr aufs Land gezogen, aber das haben sie uns natürlich nicht wissen lassen.«
»Es war reiner Zufall, dass die liebe Lucy das herausgefunden hat«, sagte Selina. »Sie ist sehr, sehr beharrlich, wissen Sie. Sie hat noch einmal an Philip Quince geschrieben und gehofft, ihn zu überzeugen, und hat eine Antwort von seinem Sohn bekommen. Anscheinend wohnt er jetzt im Haus seiner Großtante.«
»Ein exzentrischer Junggeselle«, fügte Wendy hinzu. »Er ist gerade aus dem Ausland zurückgekommen – aus Italien!«
»Er hat auch Nein gesagt«, berichtete Maud. »Hat sich nicht mal die Mühe gemacht, zu erklären, warum. Hat wahrscheinlich nicht alle Tassen im Schrank,
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