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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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Ausdruck das war. Ja, das Rückgrat kribbelte in der Tat – manchmal auch in anderen Kontexten als dem des Krimi-Genusses. Chrissie, der für alles ein Wort parat hatte, nannte dergleichen »ein Klingeling erleben«. Unwillkürlich lächelte Isabelle ein wenig.
    Jedenfalls... War es möglich, dass Meredith vorgehabt hatte, Celadon auszutricksen, indem sie mitten in anscheinend konventionellen Romanen experimentelle Hinweise platziert hatte? Damit war sie an die Grenzen des Kriminalroman-Genres gestoßen, und zwar heftig. Ah ja, dachte Isabelle, während sie auf den Bildschirm starrte. Stoßen. Heftig. Das waren so tolle, ausdrucksvolle Wörter. Vor noch gar nicht langer Zeit war sie selbst... Nein, nein, nein. Aufhören. Sofort aufhören. Sie holte tief Atem, um sich zu
beruhigen. Dies hier war schließlich eine Bibliothek, und unter gar keinen Umständen durfte sie es sich gestatten, laut aufzustöhnen.
    Die gestrige Nacht war eine Art Traum gewesen, das war alles. In diesem Traum hatte sie Meredith und die Manuskripte und die mögliche Existenz eines geheimen Zimmers ganz vergessen. Selbst jetzt schien ihr nichts von allem besonders wirklich zu sein. Andere Dinge schon. Wie Tom sie auf die Arme genommen und sie nach oben in sein Schlafzimmer getragen hatte, beispielsweise, der schwellende Druck seines nackten Körpers gegen den ihren, das grelle Knistern und Lodern, das das ganze Zimmer zu erhellen schien. Als sie sich in der vertrauten Umgebung des Raritätensaals umsah, kam ihr das alles völlig unglaublich vor. Und doch war es geschehen. Am unmittelbarsten von all ihren Wahrnehmungen war jedoch der Geschmack der geschmorten Früchte, die Tom ihr ans Bett gebracht hatte. Sie hatte sie in seinen Armen gegessen, den Rücken an seine Brust gelehnt, und bei jedem Stückchen, das sie mit der Zunge zerdrückte, hatte eine aromatische, fast alkoholartige Explosion ihren Mund erfüllt.
    Doch das alles war selbstverständlich irrelevant, sagte Isabelle sich entschlossen. Wie natürlich und unbefangen ihr das Ganze vorgekommen war, hatte keinerlei Bedeutung, denn es war alles ein Traum gewesen, eine betörende, aber vorübergehende Bezauberung der Sinne. Nicht mehr. Jetzt musste sie sich der Wirklichkeit stellen – dem geordneten Leben, das säuberlich entworfen vor ihr lag und zu dem Clothaire zweifelsfrei gehörte. Das alles durfte sie nicht verlieren. Eine Stimme verkündete über die Lautsprecheranlage, dass die Leseräume in dreißig Minuten schließen würden. Isabelle speicherte ihre Arbeit, schloss die Datei und schaltete den Laptop aus. Sie würde mit Tom sprechen und ihm erklären, dass alles ein Irrtum gewesen war. Er würde es verstehen.

18
    Daisy
    »Ach, fast hätte ich es vergessen«, sagte Clothaire und wandte sich dabei direkt an Daisy, etwas, was er normalerweise vermied. »Ich muss dich etwas fragen.« Er hatte sich ihrer kleinen Gruppe angeschlossen – zu der außerdem noch Agathe, Marie-Laure, Claire und ihre Schwester Amelie gehörten – und war mit den Frauen zum sonntäglichen Mittagessen nach Montparnasse gekommen. Im Restaurant hatte er allerdings die ganze Zeit die Unterhaltung fast allein bestritten und wie üblich alle anderen nicht zu Wort kommen lassen. Nun wollte er endlich gehen. Er erhob sich, und Daisy schaute überrascht zu ihm auf.
    »Ich habe da einen Kollegen an der Universität. Er unterrichtet zeitgenössische Geschichte, aber er hat auch ein paar kulturgeschichtliche Aufsätze veröffentlicht. Jedenfalls arbeitet er gerade an einem Buch über die Soziologie der Mode, oder war’s die Mythologie der Mode? Irgendetwas in der Art. Ich dachte, es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass du für ihn von Nutzen sein könntest«, fuhr Clothaire fort. Er musterte Daisy und sah alles andere als überzeugt aus. »Deswegen möchte ich wissen, ob du mit ihm reden wirst.«
    Daisy war völlig perplex. »Ich? Aber... ich bin doch keine Akademikerin.«
    »Nein , ganz bestimmt nicht«, pflichtete Clothaire ihr mit vor Sarkasmus schwerer Stimme bei. »Das ist ihm egal. Er will mit einer ganz gewöhnlichen Person sprechen, die in der Modebranche tätig ist.«

    »Wer ist denn dieser Kollege?«, wollte Claire wissen.
    »Etienne Deslisses.«
    »Deslisses?«, fragte Marie-Laure. »Aber der ist doch berühmt. Ich wusste gar nicht, dass du ihn kennst.«
    »So berühmt nun auch wieder nicht«, knurrte Clothaire verdrossen.
    »Vielleicht ist er ja nicht so brillant wie du«, meinte Agathe, »aber er ist

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