High Heels und Gummistiefel
machen?«
»Schätzchen, wenn es jemals etwas Sonnenklares gegeben hat, dann ist es das hier «, verkündete Chrissie mit funkelnden Augen. »Du musst ihn natürlich wiedersehen, um unser aller Willen. Hört sich an, als wäre der Typ ein echter Volltreffer.«
»Ja«, meinte Jules kalt, »das ist eine Möglichkeit, das Ganze zu betrachten. Aber wenn Legend jetzt hier wäre, würde sie sagen, nur weil einer dich zum Höhepunkt bringt, ist er noch lange nicht Jesus. Es lohnt sich, auch darüber mal nachzudenken.«
»Du hast recht«, entschied Isabelle. »Ich rufe jetzt Clothaire an und erzähle ihm alles.«
»Das wäre natürlich absolut brillant«, bemerkte Jules sardonisch, »aber das ist ganz und gar nicht das, was ich meine. Wenn ich du wäre, würde ich über die Konsequenzen nachdenken. Wie wird Clothaire wohl reagieren, was glaubst du? Nichts für ungut, aber auf mich hat er nicht so gewirkt, als wäre er besonders locker drauf.«
Isabelle schwieg.
»Hör zu«, sagte Jules, »du machst da eine viel zu große Sache draus. Was du brauchst, ist ein bisschen Schlaf. Dann bist du wieder du selbst und kannst dir überlegen, was du tun willst.«
Allmählich fühlte Isabelle sich besser.
»Ich lege mich ein bisschen hin«, sagte sie, stand auf und wand sich aus Chrissies Daunendecke. »Danke, dass ihr so nett wart.«
Drei Stunden später erwachte sie und fand eine Nachricht von Clothaire auf dem Anrufbeantworter. Er war wieder zu Hause. Er hoffte, dass sie bei ihren Recherchen Fortschritte machte, und er würde sie am Wochenende anrufen. Genau, die Recherchen, dachte Isabelle und zog eilig ihren Morgenrock an. Sie sollte lieber machen, dass sie in die Bibliothek kam, um die Nachmittags-Öffnungszeiten noch zu nutzen. Von der Arbeit würde sie einen klaren Kopf bekommen. Das war immer so. Nachdem sie sich angezogen und sich das Haar zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, fand Isabelle, dass sie die Dinge definitiv wieder unter Kontrolle hatte. Auf der Fahrt zur Bibliothek fühlte sie sich stärker, als wäre sie solider in der Wirklichkeit verankert. Als sie zu ihrem Platz im Raritätensaal ging, kam ihr alles wunderbar normal vor. Sie schaltete ihren Laptop ein. Doch sobald sie eine Datei öffnete und den Inhalt noch einmal durchlas, begannen die Dinge aus dem Ruder zu laufen.
Es war, als hätte sich – einfach so, über Nacht – ihre bisherige Forschungsarbeit dramatisch verändert. Früher war der Name Quince für sie etwas Abstraktes oder zumindest nur im literarischen Kontext relevant gewesen, eine Kurzbezeichnung für ihre Tätigkeit, ihre Doktorarbeit, ihren akademischen Status als Literaturwissenschaftlerin. Jetzt dagegen reichte schon der Anblick des Namens auf der Seite aus, um lebhafte Bilder von dem splitternackten Tom Quince heraufzubeschwören. Und dann musste sie unweigerlich an einige der betörenden Dinge denken, die er gesagt hatte, unter anderem als er...
Nein, nein, aufhören. Konzentrier dich.
Isabelle schüttelte heftig den Kopf und straffte die Schultern. Sie war verwirrt. Dies war das allererste Mal, dass Sex sich auf ihr Konzentrationsvermögen auswirkte. Mit Clothaire zum Beispiel hatte sie dieses Problem niemals gehabt. Was geschah mit ihr? Gestern
Abend, das stimmte, war sie unvernünftig gewesen. Andererseits, dachte sie, und erinnerte sich an die starke Anziehungskraft seines Mundes, war Tom so ungeheuer... Isabelle errötete ein wenig und setzte sich aufrechter hin. Sie schlug die Beine erst in die eine Richtung übereinander, dann in die andere. Es half nicht im Geringsten.
Ganz gewiss konnte ihr untypisches Verhalten von gestern Abend, dieser moment d’égarement, sie doch nicht auf irgendeine bleibende Art und Weise verändert haben? Es konnte ihren Verstand, ihren Körper, nicht völlig neu verdrahtet haben? Natürlich nicht. Bon, reprenons. Isabelle band ihren Pferdeschwanz fester und fing an, rasch auf ihren Laptop einzutippen, einen groben Entwurf für ein Kapitel über den Druck, den der kommerzielle Buchmarkt auf Merediths schriftstellerischen Kurs ausgeübt hatte. Besonders der Einfluss von Merediths Agent Paul Celadon war ein Thema. In seiner Biografie Mein Leben als Lesezeichen hatte Celadon sich selbst dazu beglückwünscht, dass er Meredith von literarischen Experimenten abgebracht und sie dazu überredet hatte, stattdessen ihre Begabung für massentaugliche »Rückgrat-Kribbler« zu nutzen. Isabelle hielt inne. Was für ein sinnreicher
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