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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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ziemlich klug. Sein Buch über Intimität zum Beispiel, das war wirklich geistreich und scharfsinnig.«
    »Hmmm... das über Überschreitungen hat mir sehr viel besser gefallen«, bemerkte Claire kalt. »Ich fand, es war rigoroser, weniger persönlich.«
    Dieser Austausch ging bei Daisy zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder heraus.
    Dann drückte Marie-Laure ihren Arm und sagte begeistert: »Du solltest dir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einen hochintelligenten Intellektuellen wie Deslisses kennenzulernen, solange du in Paris bist, Daisy. Ich persönlich finde seine Texte fantastisch. Sie sind klug, aber sie sind auch poetisch. Er kreiert einen wunderbaren Stil.«
    »Wirklich?«, fragte Daisy, schlagartig interessiert. »Er kreiert und schreibt Bücher, das ist ja ungewöhnlich. Wahrscheinlich nebenbei, als Freiberufler. Für wen arbeitet er denn hauptsächlich? Für Männer- oder Frauenzeitschriften?«
    Amelie war diejenige, die schließlich das Schweigen brach. »Doch keinen Mode stil, Daisy«, erklärte sie freundlich. »Marie meint, er hat einen tollen literarischen Stil, du weißt schon, bei dem, was er schreibt.«
    »Oh, ich verstehe.« Daisy lief tiefrot an.
    »Daisy, du bist ja so komisch«, sagte Agathe und schaute über den Tisch hinweg Claire an, die zurücklächelte. »Könnte ich doch
nur Mäuschen sein, wenn du Deslisses triffst, und eure Unterhaltung mit anhören.«
    »Ich finde nicht, dass er so ein toller Stilist ist«, verkündete Clothaire eifersüchtig. »Er ist okay. Nichts Besonderes.«
    »Und wie ist er so, Clothaire?«, erkundigte sich Marie-Laure. »Persönlich?«
    »Ach, ich weiß nicht... ernsthaft, fleißig, nimmt seine Arbeit sehr ernst. Die Studenten scheinen ihn zu mögen. Seine Vorlesungen sind lächerlicherweise Kult. Es stimmt, er ist sehr produktiv. Lässt nie eine Konferenz aus. Ich persönlich finde ihn langweilig.«
    »Du meinst, er zeigt nicht genug Interesse an deiner Arbeit?«, fragte Claire spielerisch.
    »Damit hat das gar nichts zu tun. Sei doch nicht blöd, Claire.«
    Clothaires Freund klang beängstigend, fand Daisy. Wie konnte sie sich da rauswinden?
    »Was müsste ich denn tun?«, fragte sie zittrig.
    »Ach, Schluss mit der Fragerei. Das weiß ich doch nicht!«, schnappte Clothaire gereizt und knöpfte seinen Mantel zu. »Geh hin und rede mit ihm über Klamotten. Das wirst du doch wohl schaffen, oder?«
    »Clothaire, sei nicht so schnippisch«, mahnte Marie-Laure.
    »Verzeihung«, knurrte Clothaire ungnädig. »Daisy, was ist jetzt, kann er dich anrufen, ja oder nein?«
    »Na schön, wenn du möchtest. Aber ich bin wirklich nicht...«
    »Ja, ja, ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden. Das kannst du ihm selbst sagen. Mich geht das Ganze nichts mehr an.«
     
    Etienne Deslisses, der ungemein höflich klang und sehr gut Englisch sprach, hatte Daisy am nächsten Tag angerufen, und sie hatten verabredet, sich eine Woche später in einem Café auf dem Place de la Sorbonne zu treffen. Im Interesse eines raschen Erkennens
hatte Daisy erwähnt, dass sie einen Mantel in leuchtendem Pink tragen würde.
    Als sie in dem Café ankam, stellte sie fest, dass fast alle Tische von Männern ohne Begleitung besetzt waren, die alle rauchten, alle Kaffee tranken und alle in irgendein Buch vertieft waren. Welcher davon war Etienne Deslisses? Der da wahrscheinlich, dachte Daisy, als ihr ein distinguierter, silberhaariger Herr um die fünfzig auffiel, der geschäftig einen Stapel Aufsätze korrigierte. Jäh kam ihr der Gedanke, dass es vielleicht gut gewesen wäre, für dieses Treffen etwas weniger Schrilles anzuziehen. Nun, jetzt war es zu spät, und ganz ehrlich, wenn dieser große Intellektuelle ein orangerotes Brokat-Minikleid mit langen Puffärmeln, kombiniert mit passenden Strümpfen und flachen Riemchenschuhen nicht toll fand, dann war das sein Problem, nicht ihres. Daisy konnte schließlich nur sie selbst sein. Als sie unentschlossen an der Tür stehen blieb und überlegte, ob sie ihn auf sich aufmerksam machen sollte, schaute jemand anderes an einem Ecktisch neben der Bar auf und winkte in ihre Richtung. Er stand auf und drückte seine Zigarette aus, als Daisy zu seinem Tisch hinüberging. Sie gaben sich die Hand.
    »Etienne? Hi, ich bin Daisy Keen.«
    »Hallo. Setzen Sie sich. Was möchten Sie trinken?«
    »Einen Café crème, bitte.«
    Etienne Deslisses war Jahre jünger als Daisys geistiges Bild von ihm. Tatsächlich war er wahrscheinlich gar nicht viel älter

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