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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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dabei
leicht über ihre Schulter, wobei sie Gänsehaut in ihrem Kielwasser zurückließ. Daisy kicherte.
    »Entschuldigung, kitzelt das?«
    »Äh, nein. Doch, ein bisschen. Es geht schon.«
    »Sie sind so dermaßen professionell, das ist absolut erstaunlich«, meinte er lächelnd. Einen Augenblick lang blieb er stehen, wo er war, dann rieb er sich energisch den Nacken und sagte: »Okay, also, in ein paar Minuten bin ich fertig, wenn Sie es so lange aushalten.« Er machte kehrt und ging zu seinem Regiestuhl zurück, wo sein Zeichenblock wartete. »Dann können Sie sich ausruhen.«
    Daisy gab einen kleinen, zustimmenden Laut von sich und behielt ihre Pose bei. Während Raoul arbeitete, dachte sie darüber nach, was gerade passiert war. Gab es da irgendwelche Anziehungskräfte zwischen ihnen? Es war schwer, das mit Sicherheit zu sagen. Sie fühlte sich ganz bestimmt zu ihm hingezogen: Raoul war auf so eine Indiana-Jones-Art sehr attraktiv und strotzte vor sexuellem Selbstbewusstsein. Aber wie empfand er für sie? Im Großen und Ganzen hatte er sich immer völlig platonisch und freundlich verhalten. Ein paar Mal hatte er ihr das Haar gezaust, doch damit hatte es sich auch schon. Wirklich, er hätte einer ihrer guten schwulen Freunde sein können, die sich in einigen Fällen ebenso sehr für weibliche Schönheit interessierten wie Raoul. Na ja, vielleicht nicht ganz so sehr wie Raoul; der spielte in einer völlig anderen Liga. Und schwul war er definitiv nicht.
    Doch wenn sie zusammen an einer Zeichnung arbeiteten, schien sich die Atmosphäre ziemlich elektrisch aufzuladen. Dann betrachtete er sie mit einer ernsthaften, düsteren, grüblerischen Intensität, die sie ein bisschen verlegen machte. Andererseits hatte Daisy genau diese Art von Intensität in den Augen von Casting Directors gesehen, wenn sie das Model, das vor ihnen stand, mit den Fotos in ihrer Mappe verglichen. Wahrscheinlich war es lediglich das: das
äußere Anzeichen für die Konzentration eines bildenden Künstlers, mehr nicht. Auf jeden Fall war es wirklich nicht so wichtig, denn ganz gleich, was Anouk oder Chrissie sagen mochten, es war wahrscheinlich noch zu früh für sie, daran zu denken, sich wieder mit irgendjemandem einzulassen.
     
    »Also, was meinst du? Soll ich ihn einfach fragen, ob er interessiert ist?«, fragte sie Marie-Laure, als sie ihr Dilemma beim Mittagessen besprachen.
    »Nein! Das ist viel zu direkt!«, wehrte Marie-Laure entsetzt ab. »Was ist, wenn er Nein sagt? Und überhaupt, magst du ihn denn?«
    »Na ja«, antwortete Daisy und kicherte, »sagen wir einfach, ich fange allmählich an, den Sinn in dieser ganzen ›Älterer Mann‹-Nummer zu erkennen. Er ist einfach so viel... stabiler als alle, die ich jemals gekannt habe. Er hat schon so viel gemacht. Und er ist Künstler! Aber ich weiß nicht mal, ob er auf mich steht!«
    »Könntest du nicht für eine Atmosphäre sorgen, du weißt schon...«
    »Aber ich glaube, so eine Atmosphäre ist schon da. Das ist es ja gerade.«
     
    Das nächste Mal traf Daisy Raoul am darauffolgenden Wochenende, um ins Kino zu gehen. Allmählich dämmerte ihr, dass sie sich tatsächlich wünschte, er würde sie küssen, und es fiel ihr schwer, sich auf den Film zu konzentrieren. Stattdessen hielt sie Ausschau nach irgendwelchen verräterischen Zeichen seinerseits. Doch Raoul saß mit vollendetem Anstand neben ihr. Nach dem Kino gingen sie essen und kehrten dann in seine Wohnung zurück, um sich eine seiner Spezialitäten zu genehmigen – einen gnadenlos starken Mojito.
    »Sie würden Lateinamerika lieben, Daisy«, meinte Raoul, während
die Jukebox mit voller Kraft in Bahia-Modus schaltete, mit rasselnden Maracas. »Die Strände sind so was von unglaublich. Und die Brasilianerinnen tragen so wahnsinnige Badeanzüge«, fügte er verträumt hinzu. »Total extrem.«
    »Ich kann’s mir vorstellen.«
    Raoul drehte sich zu ihr um und sah sie an. »Alles okay? Sie sind heute nicht sehr gesprächig.«
    »Alles bestens«, versicherte Daisy und lächelte ihn an. »Ich denke nur nach.«
    »Worüber denken Sie denn nach? Vermissen Sie London, Ihre Familie?«
    »Oh nein, nicht so was. Ich meine, ich freue mich darauf, über Weihnachten nach Hause zu fahren, aber das ist es nicht, was mir im Kopf rumgeht.«
    »Und was geht Ihnen im Kopf rum, Daisy?«, erkundigte sich Raoul und stellte seinen Drink hin.
    »Es ist wirklich albern.«
    »Nein, nein, Sie können mir alles sagen. Kommen Sie schon.«
    Ach, pfeif drauf,

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