High Heels und Gummistiefel
ganz und gar aufs Essen, Trinken und Plaudern. Dutzende von Kellnern schlängelten sich mit schwindelerregend angeordneten Tellerstapeln durch das Restaurant. Als sie auf ihren eigenen Tisch hinunterschaute, stellte sie fest, dass während sie anderweitig beschäftigt gewesen war, dort ein rundes Metallgestell sowie winzige Austerngabeln, ein Teller voll Brot, ein kleiner Napf mit cremiger Butter und ein weiterer mit rosa Schalottenessig erschienen waren.
Ganz besonders entzückt war sie, ein Glas sehr kalten Champagner vor sich stehen zu sehen. Sie ergriff es, trank einen großen Schluck zum Abkühlen und drückte das Glas gegen ihre Wange. Als sie sich Raoul zuwandte, grinste dieser sie ohne jede Reue an.
»Ich glaub’s einfach nicht!«, flüsterte sie und konnte nicht anders als zurücklächeln. »Du bist furchtbar!«
Langsam hob Raoul die Hand an den Mund und lutschte einen nach dem anderen seine Finger ab, ohne dabei den Blick von ihren Augen abzuwenden. Daisy sah ihm ungläubig zu und wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Also wirklich!«, brachte sie schließlich heraus, gerade als der Kellner wieder auftauchte und eine hochgetürmte Platte brachte, die er auf den Metallfuß stellte. Auf einem Bett aus schneeweißem Eis waren glänzende silbergraue Austern fächerförmig neben einem leuchtend roten, gekrümmten Hummer angeordnet, dessen Fühler sich zur Decke emporbogen.
Als sie in jener Nacht in Raouls Armen schlief, hatte Daisy einen merkwürdigen Traum. Hinterher fragte sie sich, ob vielleicht die fruits de mer daran schuld waren. Vielleicht lag es ja an einer jähen, ungewöhnlich hohen Zinkzufuhr. Im Traum ging Daisy nachts durch die leeren Straßen von Paris und suchte verzweifelt nach irgendetwas. Es war nicht ganz klar, ob es sich hierbei um etwas handelte, das sie verloren hatte, oder um etwas, was sie noch nicht gefunden hatte. Es war dunkel, ihr Herz pochte schnell. Niemand sonst war in der Nähe, um ihr zu helfen, doch sie musste finden, wonach sie suchte. Das war ungeheuer wichtig.
Im Laufe der folgenden Monate sollte dieser Traum viele Male zurückkehren, mit kleinen Abweichungen, und nicht notwendigerweise nach einer großen Portion fruits de mer . Vielleicht waren es also doch nicht die Austern und der Hummer gewesen.
21
Isabelle
Im Dungeon lief die Nachlese des Auftritts von The Coven nicht besonders gut.
»Hört mal zu, Leute«, sagte Legend ernst. »Es ist, als würden wir auf der Bühne nicht miteinander kommunizieren. Vielleicht verlieren ja ein paar von uns ihre Verpflichtungen der Band gegenüber aus den Augen. Möchtest du vielleicht was dazu sagen, Ivy?«
Alle sahen die Drummerin an, deren Gesicht jetzt denselben dunklen Rotton angenommen hatte wie ihr Haar.
Legend starrte sie herausfordernd an, dann zuckte sie die Achseln. »Okay, alles klar. Also, falls ihr’s wissen wollt, nach dem letzten Gig hat sie mir auf der Fahrt nach Hause erzählt, sie würde lieber ihr Leben lang als Kassiererin im Supermarkt arbeiten, weil, das wäre erfüllender als in der Band zu sein.«
Ivy stampfte mit dem Fuß auf – das silbrige Flüstern kleiner Messingbecken war zu vernehmen.
»Da hab ich doch bloß rumgetönt! Du hast ja keine Ahnung, wie das ist, der Drummer zu sein. Ich hab’s satt. Jeder hält mich für selbstverständlich, während ich die ganze Band trage!«
Belladonna gab einen unverständlichen Laut der Entrüstung von sich.
Legend schnaubte. »Also, eins ist sicher. Es wäre wirklich eine große Hilfe, wenn unsere Drummerin nicht spielen würde wie ein einarmiger alter Mann, der gerade am Abkratzen ist.«
»Wie bitte? «
»Du hast mich schon verstanden.«
Als er sah, wie Ivys grüne Augen vor Zorn funkelten und sich ihre Finger zielstrebig fester um ihre Trommelstöcke schlossen, stand Karloff auf, um zwischen seine Mitstreiter zu treten.
»Okay«, sagte er milde. »Das reicht jetzt. Hört auf mit dem Blödsinn.«
»Ich sag’s doch die ganze Zeit, wir sollten mehr meditieren, als Teil der Proben«, warf Belladonna ein. »Wir sollten alle nach Harmonie streben. Harmonie ist wie eine heilende Sphäre aus weißem Licht.«
»Ivy, Kumpel«, fuhr Karloff unbeirrt fort, »du bist’n toller Drummer, und ich lass niemanden was anderes sagen.«
»Vielleicht hab ich in letzter Zeit ja wirklich ein bisschen nachgelassen«, sagte Ivy leise. »Im Piercing-Salon war echt die Hölle los.«
»Und was ist damit, wie du spielst, Legend? Irgendwelche Kommentare?«, erkundigte
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