High Heels und Gummistiefel
du immer noch’ne Bohnenstange ohne Titten bist.«
»DAS REICHT!«, brüllte Karloff plötzlich und fuhr seine sanfte Stimme auf maximale Lautstärke hoch. »Alles klar«, murmelte er daraufhin höchst verlegen, nachdem er jedermanns volle Aufmerksamkeit hatte. »Ich will, dass ihr euch alle wieder vertragt, okay? Dieser ganze Zickenalarm bringt mich echt noch in die Twilightzone.«
»’tschuldigung, Kazza. Tut mir leid, Ivy.«
»Ist schon okay. Mir tut’s auch leid. Entschuldige, Legend.«
»Ich hab ja angefangen. Tut mir leid, dass ich so rumgezickt habe.«
»Und ich stell gleich die guten, ernsten Fotos auf der Website ein, wenn ich nach Hause komme«, versprach Karloff leise, ohne Jules, die ein wenig lächelte, direkt anzusehen.
»Ein wunderbares Drama, findest du nicht, Darling?«, meinte Chrissie, als er und Isabelle sich auf den Heimweg gemacht hatten, während The Coven noch eine Runde trinken und dann ihre Ausrüstung einpacken wollten.
»Streiten sie oft so?«
»Oh, andauernd . Ich persönlich glaube, so halten sie die Band zusammen. Ich meine, die gehen manchmal wochenlang zusammen auf Tour, sind alle in einen Minibus gequetscht und spielen in der Aula von irgendwelchen Gymnasien oder in Einkaufszentren. Oben im Norden« , fügte er hinzu und senkte die Stimme zu einem ehrfürchtigen Flüstern. »Die müssen sich doch hin und wieder mal so richtig angiften. Anders hält man das doch gar nicht aus.«
»Ich fand es süß, wie Karloff gesagt hat, er tauscht die Bilder auf der Website aus, nur um Jules eine Freude zu machen.«
»Ach, hinreißend. Aber viel zu subtil, wie immer. Allmählich glaube ich, die kommen nie zusammen – nur um mir eins auszuwischen.«
Am nächsten Morgen ging Isabelle früh hinunter, um sich Frühstück zu machen. Sie trat in die Küche und machte das Licht an. Dann schrie sie auf.
»Immer mit der Ruhe!«, sagte Karloff. Er klang gekränkt. »Ich bin’s doch nur; ich mach bloß Tee, in Ordnung?«
»Oh ja. Tut mir leid. Es ist nur... ich habe dich im Dunkeln gar nicht gesehen.«
Karloff, im schwarzen T-Shirt und gleichfarbigen Boxershorts, das Haar ein rabenschwarzes Gestrüpp, grinste sie an. »Ja, ich verschmelze irgendwie mit der Dunkelheit, nicht wahr?«
»Wieso hast du denn das Licht nicht angemacht?«
»Ja, weil, na ja, ich hab in das Auge hier gerade meine weiße Kontaktlinse eingesetzt. Siehst du?«
»Ja.« Isabelle fuhr ein wenig zurück. »Das ist... sehr originell.«
»Ich steh auf diesen Totenaugen-Look. Jedenfalls tut mir das Licht am Anfang immer ein bisschen in dem Auge weh, wenn ich das Ding einsetze, deswegen lass ich’s morgens gern eher dunkel. Ist irgendwie sanfter.«
»Natürlich«, antwortete Isabelle, während sie seine Anwesenheit und seinen Aufzug überdachte und eine Schlussfolgerung zog, bei der sie unwillkürlich lächeln musste.
Karloff lief knallrot an. »Na ja, alles klar«, stammelte er. »Die Sache ist die, ich bring die Dinger hier lieber mal nach oben. Bevor das Zeug kalt wird.«
»Ja, das ist eine gute Idee.«
Isabelle wartete, bis seine Schritte auf der Treppe verklangen, dann sauste sie schnurstracks in Chrissies Zimmer. Obwohl sie sich vor kichernder Neugier fast verzehrten, mussten Chrissie und Isabelle doch eine gute Stunde warten, bis Karloff gegangen war, ehe sie Jules ins Verhör nehmen konnten. Als diese höchst würdevoll mit ihrer Spange im Haar die Küche betrat, johlten die beiden vergnügt los.
»Was ist ?«, erkundigte sich Jules eisig und zog ihren lila Morgenrock fester um sich.
»Karloff hat hier gepe-ennt! Karloff hat hier gepe-ennt! «
»Chrissie, bitte.« Jules ließ zwei Brotscheiben in den Toaster fallen, kam zum Tisch und setzte sich neben Isabelle. Sie sah aus wie immer, völlig unbeteiligt. Isabelle und Chrissie starrten sie erwartungsvoll an und gaben sich alle Mühe, nicht zu lachen.
Schließlich wurde Jules schwach. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Ja, stimmt. Er hat hier gepennt.«
»Darling! Hach, ich fange gleich an zu heulen!«
»Und, wie... ist das passiert?«, erkundigte sich Isabelle behutsam.
Jules ließ sich Zeit dabei, sich ihren Toast zu holen und ihn mit Butter zu bestreichen. Dann griff sie nach dem Marmite-Glas und begann zu erzählen.
Nach der kathartischen Auseinandersetzung des vergangenen Abends waren Legend und Belladonna Arm in Arm losgezogen, um einen neuen Club in Brixton in Augenschein zu nehmen. Ivy hatte sich erboten, bei den anderen zu bleiben,
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