High Heels und Gummistiefel
hier immer ein steak tartare, aber vielleicht magst du ja nicht alles roh? Magst du Fisch? Die cassolette de saumon? Die magret de canard ist toll, wenn du gern Ente isst. Oder das Huhn mit Morcheln. Wirklich delikat, aber die Geschmackskombination ist einfach extrem. Du magst doch Morcheln, oder? So ein wunderbares, klassisches Gericht. Das schmeckt dir bestimmt.«
Verlockt von der delikaten und extremen Geschmackskombination, entschied Daisy sich für das Huhn mit Morcheln. Octave hätte in diesem wunderbaren Restaurant nicht länger als zehn Minuten still neben ihr sitzen können, dessen war sie sich sicher. Er hätte sich irgendeine umständliche Scharade ausgedacht, um sie nach unten aufs Klo zu locken und ausgiebig herumzuknutschen. Dabei hätte er bestimmt versucht, ihr durch das Kleid hindurch den BH aufzuhaken, oder irgend so einen Schuljungen-Blödsinn. Das hätte er sehr viel lustiger gefunden, als in ihrer Gesellschaft ganz einfach eine zivilisierte Mahlzeit zu sich zu nehmen. Raoul dagegen war ein echter Feinschmecker. Er liebte Fusion-Food und war ein richtiger Sushi-Freak, doch er kannte sich auch unglaublich
gut mit der traditionellen französischen Küche aus. Ihr stand ein sehr französisches Erlebnis bevor, daran bestand kein Zweifel. Daisy seufzte glücklich und betrachtete die anderen Restaurantgäste. Sie freute sich sehr auf ihre gastronomische Initiation.
Daher überraschte es sie ein wenig, als sie merkte, wie Raouls Hand, die leicht auf ihrem Oberschenkel gelegen hatte, mit der atemberaubenden Zielgenauigkeit einer infrarotgelenkten Rakete wieselflink unter ihren Rock und in ihren Slip schlüpfte. Daisy hielt sich die Speisekarte wie einen Fächer vors Gesicht und funkelte ihn zornig an. Er blickte starr geradeaus und machte ein völlig unbekümmertes Gesicht.
»Was machst du denn da?«, entrüstete sich Daisy in lautem Flüsterton.
»Wer, ich?« Raoul zeigte mit der freien Hand auf sich. Auf seiner Miene lag ein Ausdruck gekränkter Unschuld. Er bedachte sie mit einem Wolfslächeln. »Ich sehe nur nach, ob du dich auch wohlfühlst, das ist alles.«
»Ich fühle mich sehr wohl, Raoul, vielen Dank. Und jetzt lass das! Wir sind hier in der Öffentlichkeit.«
»Ja, klar. Macht doch Spaß, oder?«
»Bonsoir. Vous avez choisi?«
Ihr Kellner, prachtvoll in förmliches Schwarz und Weiß gekleidet, stand mit einem Notizblock vor ihrem Tisch. Das war zu viel. Hastig zog Daisy das Tischtuch weiter über ihren Schoß und drückte sich ihre gestärkte Serviette an die Stirn. Sie unternahm einen halbherzigen Fluchtversuch, indem sie zur Seite rückte. Raouls Finger folgten erbarmungslos und setzten ihr Werk mit absoluter Hingabe und Sachkenntnis fort.
Während er sich mit einem Ellenbogen auf dem Tisch aufstützte und mit der Hand herumfuchtelte, um seine Worte zu unterstreichen, erläuterte Raoul mit qualvollem Bedacht, dass sie mit einem
Sancerre zu beginnen gedächten, möglicherweise gefolgt von einem Beaujolais – einem Moulin-à-Vent vielleicht oder einem Juliénas -, etwas einigermaßen Leichtem, aber corsé, voll im Geschmack. Jetzt weiß ich, dass ich in Frankreich bin, dachte Daisy mit feuchten Augen, während sie die Schenkel fester zusammenpresste, um Raouls Hand einzuklemmen. Andererseits, fuhr er sorgfältig abwägend fort, wäre vielleicht etwas anderes vorzuziehen, um Mademoiselles suprême de volaille aux morilles geschmacklich zu ergänzen? Was meinte denn der Kellner? Ja, vielleicht etwas mit ein bisschen mehr Körper. Also, voyons... wie wäre es mit einem schönen Medoc? So ging es eine ganze Weile weiter. Mittlerweile hatte Daisys Serviette, die sie mit beiden Händen umklammerte, viel von ihrer kunstvoll gefalteten Steifheit eingebüßt. Endlich verschwand der Kellner. Daisy wartete so lange wie möglich, ehe sie eine Hand auf die von Raoul presste, heftig die Zehen streckte und zuließ, dass sich ihr Rücken ein winziges bisschen wölbte. Und dann blieb ihr nichts anderes übrig, als ihr glühendes Gesicht in der Serviette zu vergraben und das Ganze als eine Art Hustenanfall zu tarnen.
Als sie damit fertig war, sich die Augen abzutupfen – dem Himmel sei Dank für wasserfeste Wimperntusche -, und die Serviette wieder auf ihren Schoß legte, schlich Raouls Hand sich davon wie ein Einbrecher in der Nacht. Verstohlen schaute Daisy zu den Nachbartischen hinüber. Unglaublicherweise schien niemand die Polizei gerufen zu haben. Alle Gäste konzentrierten sich anscheinend
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