Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
den Engländern, um ihnen ihre Ernten und ihr Vieh zu verkaufen, während abgemagerte Frauen für eine kleine Münze oder ein Stück Brot eine andere Ware feilboten.
Etliche Stadtbewohner hatten ihre Häuser wieder in Besitz genommen, die nach einigen kleineren Reparaturen bewohnbar sein würden. Einige mildtätige Seelen hatten sogar weniger Glückliche, die alles verloren hatten, bei sich aufgenommen. Die Soldaten säuberten die konfiszierten Gebäude, um sich so angenehm wie möglich einzurichten. Die langen Wintermonate näherten sich mit großen Schritten; da hieß es, vorbereitet zu sein.
Man hatte Alexander mit einer Abteilung aus seiner Kompanie zu den Ursulinen geschickt, um beim Wegräumen der Trümmer und den dringendsten Instandsetzungsarbeiten zu helfen. Er konnte sein Talent bei der Holzbearbeitung einsetzen und ausnahmsweise einmal eine Klinge zu etwas anderem als zum Töten benutzen. Eine Art Alltag war eingekehrt.
Neben den Patrouillen und seiner Arbeit bei den Nonnen nahm der junge Mann an den Waffenübungen und militärischen Manövern teil, die auf dem Paradeplatz unter den neugierigen Blicken der Bewohner – und den interessierteren der jungen Mädchen – abgehalten wurden. Ihre Kilts sorgten für große Aufmerksamkeit. Seine Freizeit verbrachte er oft in den Weinstuben, insbesondere in der Taverne Zum rennenden Hasen . Das Anknüpfen an seine alten Gewohnheiten – das Trinken und das Spiel – half ihm, die Leere in seinem Leben zu vergessen. Obwohl James Murray, der neue Gouverneur der Stadt, verboten hatte, alkoholische Getränke an die Soldaten auszuschenken, war es kein Problem, so viele Becher zu trinken, wie man wollte. Für die Tavernenwirte waren die Soldaten eine viel zu gute Gelegenheit, sich die leeren Geldschatullen wieder zu füllen!
Ein starker Teergeruch stieg Alexander in die Nase, als er aus dem Haus trat. Das Trockendock lag nur wenige Minuten von hier entfernt, am Saint-Nicolas-Ufer, direkt gegenüber den Ruinen des Intendantenpalasts. Bei Ebbe beeilte man sich, die am wenigsten beschädigten Schiffe zu reparieren und zu kalfatern. Weiter entfernt lagen die großen Kriegsschiffe auf Reede. Man hatte sie kürzlich entladen und die Vorräte unter großen Mühen in die Oberstadt geschafft, wo man sie in Lagerhäusern in Sicherheit brachte. Bald würden sie den Hafen verlassen und den Fluss hinunterfahren, um entweder nach England oder nach New York zu segeln, wo sie den Winter verbringen würden. Die sterbliche Hülle von General Wolfe hatte die Kolonie bereits an Bord der Royal William verlassen. Bis zum Frühjahr würde die englische Garnison auf sich gestellt sein.
Der junge Mann trat zu seinem Bruder und seinem Cousin, die mit zwei charmanten Damen plauderten. Er vermochte sich dem Zauber der wunderbaren Landschaft, die sich vor ihm ausbreitete, nicht zu entziehen. Wie ein Künstler übergoss der Herbst die Hügel und Ebenen mit warmen Farben; lebhafte Tupfer auf einem grauen Hintergrund, die in merkwürdigem Kontrast zum Panorama der zerstörten Stadt standen.
Aus der Gruppe klang leises Gelächter auf und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Munro musste einfach immer den Hanswurst spielen, wenn er auf Damen traf. Obwohl er nicht ein Wort der Landessprache sprach, gelang es ihm immer, sie zum Lachen zu bringen. Alexander räusperte sich, um seinen Bruder und seinen Cousin zur Ordnung zu rufen. Nach dem die drei sich freundlich von den kichernden jungen Frauen verabschiedet hatten, gingen sie davon, um ihre Kameraden abzulösen.
Die Kutsche steckte in der Rue des Pauvres in einer tiefen Spurrille fest. Daher legten Isabelle und Madeleine den Rest des Weges mit ihrem letzten Sack Äpfel zu Fuß zurück. Die strahlende Sonne versetzte sie in fröhliche Stimmung, so dass sie singend in der Herberge Gobelet Royal ankamen. Michel Huet, der Besitzer, empfing sie leicht humpelnd.
Früher hatte der alte Mann mit den krummen Beinen Isabelle geängstigt. Die junge Frau hatte ihn früher stets für einen Irrwisch gehalten, von denen es hieß, dass sie nachts auf der Île d’Orléans spukten. Madeleine hatte sie dafür ausgelacht. Natürlich fürchtete sie sich jetzt nicht mehr vor ihm. Doch bezüglich seiner Herkunft hegte sie immer noch ihre Zweifel. Niemand wusste etwas über ihn, nur, dass er einmal der Leutnant eines berühmten Korsaren gewesen war, der den Atlantik durchkreuzte und mit einem Brandmal in Form der bourbonischen Lilie gezeichnet war, ein
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