Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Merkwürdigerweise fühlte sie sich enttäuscht.
»Sie sind sogar sehr nett, Isa.«
»Kann schon sein, aber ich möchte nicht allzu viel mit englischen Soldaten zu tun haben. Du weißt doch, was man sich über sie erzählt …«
»Ihr braucht keine Angst vor ihnen zu haben. Sie sind sogar katholisch!«
Die junge Frau holte tief Luft und tat, als müsse sie in ihren Taschen nach etwas suchen. Sie kam sich ziemlich dumm dabei vor.
»Wirklich? … Ich muss mich wieder auf den Weg machen«, erklärte sie und stand unvermittelt auf. »Könntest du Mado holen gehen? Mir ist eingefallen, dass ich die Liste für die Auslieferung unserer Äpfel vergessen habe. Sie muss auf der Bank im Wagen liegen geblieben sein.«
Sie drückte ihre Freundin fest ans Herz und löste sich dann lächelnd von ihr.
»Ich freue mich, dich wiedergesehen zu haben, Marcelline. Wegen der Schachtel komme ich zu dir, sobald wir mit dem Einmachen des Apfelgelees fertig sind. Sag Madeleine, dass ich im Wagen auf sie warte. Sie soll sich beeilen! Wir haben heute viel zu tun.«
Verblüfft über das eigenartige Verhalten ihrer Freundin nickte Marcelline und lief ins Kloster, wobei sie das Kreuzzeichen schlug. Isabelle ließ sich auf den Sitz der Kalesche fallen und zog die eilig auf ein Stück Papier gekritzelte Liste hervor. Ihre nächste Station war der Notar Panet. Dann ging es zur Herberge Gobelet Royal im Viertel um den Palast des Intendanten. Sie warf einen Blick auf den Eingang des Klosters, der jetzt verlassen dalag. Dann schmiegte sie sich an das Rückenpolster, schloss die Augen und wartete auf Madeleine und Baptiste.
Alexander hatte die junge Frau mit den grünen Augen nicht wiedergesehen. Lange hatte er auf sie gewartet, doch dann hatte er begriffen, dass sie nicht wiederkommen würde. Er war enttäuscht. Aber bestimmt war es besser so. Allein die Erinnerung an ihre wunderbaren grünen Augen ließ sein Herz schneller schlagen. Doch er wehrte sich gegen dieses Gefühl, das in ihm aufkeimen wollte.
Alexander schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben, und knöpfte seinen noch etwas feuchten Rock zu, den er soeben gereinigt hatte. Er musste auch an einigen Stellen geflickt werden. Jeder Soldat war für die Instandhaltung seiner Ausrüstung und seiner Uniform selbst verantwortlich, daher hatte er gelernt, solche Arbeiten einigermaßen geschickt zu erledigen.
Coll und Munro warteten auf ihn; anschließend würden sie auf Patrouille in den Straßen der Unterstadt gehen. Nachdem er ausreichend genesen war, hatte er das Hospital verlassen und wieder seinen Platz in seinem Regiment eingenommen, das sich in einem kleinen Vorort am Saint-Charles-Fluss niedergelassen hatte. Endlich hatte er die eroberte Stadt besuchen können, die er von den Batterien auf Point Levy aus so oft bewundert hatte.
Bestürzt hatte er gesehen, welches Ausmaß die Zerstörungen durch die Bombardements hatten. Die Straßen der Unterstadt bestanden nur noch aus Schutthaufen und den Skeletten von Häusern. Genau dieselben Verheerungen hatte er schon in seinem heimatlichen Schottland erlebt, in den grünen, stillen Tälern seiner Highlands. Auch die Schlösser und Stammsitze der geächteten Clans, deren Chiefs ins Exil gegangen waren, und die sie umgebenden Dörfer hatten die Zerstörungswut der Engländer kennengelernt, die alles vernichteten, um den Gegner besser unterjochen zu können.
Nach seiner Entlassung aus dem Hospital hatte der junge Mann sich zum Hauptquartier begeben, das im Saint-Roch-Viertel lag. Dort hatte man ihm mitgeteilt, wo seine Kompanie zusammen mit vier weiteren Kompanien der Fraser Highlanders Quartier bezogen hatte. Der Vorort am Ufer des Saint-Charles-Flusses war erfüllt von dem unangenehmen Geruch nach Fisch und Exkrementen, der von den benachbarten Sümpfen heranwehte. Er war von den Bombardierungen größtenteils verschont geblieben. Die dortige Bevölkerung bestand größtenteils aus Handwerkern und Fischern, was die große Zahl der Weinschenken erklärte.
Normalerweise gingen die Menschen ihren Beschäftigungen nach und kümmerten sich kaum um die Soldaten. Die Besetzung Québecs durch die Engländer lag jetzt drei Wochen zurück. Die Bevölkerung schien sich ohne allzu große Probleme unter der englischen Herrschaft einzurichten. Zugegeben, der Zuwachs des Handels durch die Anwesenheit von viertausend Soldaten besänftigte den Groll. Nun, Anfang Oktober, war die Ernährung die Hauptsorge der Menschen. Die kleinen Bauern kamen zu
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