Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
gereiztem Schweigen schlug das Trio die Rue Saint-Jean ein. Plötzlich blieb Madeleine mitten auf der Straße stehen.
»Was hast du, Mado?«
»Du willst ihm doch wohl nicht zeigen, wo du wohnst, Isa!«
»Mado …«
Alexander mochte nicht der Grund für einen Streit zwischen den beiden jungen Damen sein, daher beschloss er, dass es Zeit war, in die Schenke zurückzukehren. Er verneigte sich.
»Mademoiselle Lacroix, Eure Cousine hat recht. Ich gehe zurück. This part of Québec is safer than the Lower Town …«
»Ich verstehe nicht.«
»Hier ist es sicherer als in der Unterstadt.«
»So ist es wohl, Monsieur. Ich danke Euch für Euren Schutz.«
»The pleasure was for me, Mademoiselle Lacroix.« Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite …
Er verbeugte sich und wandte sich ab. Isabelle und Madeleine sahen ihm nach, bis er um die Ecke gebogen war. Dann traten sie in das Haus ein, vor dem sie stehen geblieben waren.
»Was ist denn bloß in dich gefahren?«, schimpfte Madeleine und pflanzte sich, die Hände in die Hüften gestemmt, vor ihrer Cousine auf. »Er ist ein englischer Soldat! Was denkst du dir dabei? Solche Männer muss man meiden wie die Pest.«
Isabelle reckte den Hals. Sidonie schlummerte auf ihrem gewohnten Platz im Salon. Die Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters war geschlossen; der Lichtschein, der darunter hervorlugte, verriet, dass er noch dort saß. Ihre Mutter war nirgendwo zu sehen. Sie wandte sich erneut Madeleine zu.
»Sie sind auch nicht schlimmer als unsere eigenen Soldaten.«
»Genau das sage ich doch! Weißt du denn nicht, dass solche Männer nur eines im Kopf und zwischen den Beinen haben? Ich sage dir, das sind alles Schürzenjäger!«, rief die Cousine, entsetzt über Isabelles Leichtsinn, aus. »Und glaub mir, wenn sie bekommen haben, was sie wollen, lassen sie dir noch ihre Visitenkarte da. Hast du nicht von gewissen Krankheiten gehört, Isa?«
»Warum glaubst du eigentlich, dass sie alle gleich sind?«
»Dann beweise mir doch das Gegenteil!«
»Du weißt genau, dass ich das nicht kann. Aber es sind nicht immer nur die Soldaten, die … Denk doch an Marguerite Dumoulin. Hat ihr vielleicht ein Soldat diesen juckenden Ausschlag angehext? Sie ist tugendsamer als eine Heilige!«
»Nein, das war ihr Mann. Er hatte wohl das Pech, etwas zu nahe an einer dieser freundlichen Damen vorbeizugehen, welche die Soldaten unterhalten! Du weißt genau, dass er oft die Taverne Vadeboncoeur aufgesucht hat!«
»Genau das meine ich ja. Männer sind eben Männer, Mado! Ob Ehemänner oder Soldaten, sie haben alle nur das Eine im Kopf und … na, du weißt schon wo! Wenn die Ehefrau nicht zur Hand ist, dann schauen sie sich anderswo um.«
Madeleine lief puterrot an und musterte Isabelle.
»Willst du etwa behaupten, mein Julien…? Also, so etwas! Und dein des Méloizes? Der ist doch auch Soldat, oder? Und ein sehr gut aussehender, nebenbei gesagt!«
»Sei doch nicht gemein, Mado«, stotterte Isabelle und unterdrückte mühsam ihre aufsteigenden Tränen. »Wir sollten uns nicht so streiten.«
»Du hast ja recht«, murmelte Madeleine nach kurzem Schweigen.
Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Isabelle. Ihr fiel auf, dass sie nicht einen Moment lang an Nicolas gedacht hatte, während sie mit Macdonald zusammen gewesen war. Gereizt überlegte sie dann, ob er wohl einen Gedanken auf sie verschwendet hatte, während er im Bett mit… Nein, sie wollte das Wort ihres Liebsten nicht anzweifeln, der ihr versichert hatte, alle Gerüchte über ihn seien nur üble Nachrede. Doch der Zweifel nagte weiter an ihr. Dann sah sie wieder, wie die Frau aus der Taverne sich über den gut aussehenden Alexander beugte und ihn küsste, und erriet, welches Angebot sie ihm bald machen würde – mit Läusen als kostenlose Dreingabe!
»Ach, verdammt!«, schimpfte sie. Madeleine stand sprachlos da, während sie, immer zwei Stufen zugleich nehmend, in ihr Zimmer hinaufrannte.
Der Wind von Südwest entblätterte die Bäume und wirbelte das bunte Laub umher. Am blauen Himmel zogen unter lautem Kreischen die Wildgänse. Isabelle hob den Kopf und kniff die Augen zusammen, um die winkelförmigen Formationen im grellen Sonnenlicht besser erkennen zu können. Das Wetter war milde. Sie knöpfte ihr Cape unter dem Kinn auf, um die linde Luft an ihren Hals zu lassen. Dann stand sie auf und strich ihren Rock glatt. Sie war das Warten leid.
Die junge Frau verstand ihre Cousine nicht mehr. Seit einigen Tagen verhielt
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