Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
biss die Zähne zusammen.
Alexander war wütend und angeekelt von sich selbst. Er hatte Émilies Gefühle ausgenutzt und Isabelles Vertrauen missbraucht. Zum ersten Mal hinterließ die körperliche Lust einen bitteren Nachgeschmack in seinem Mund. Flüchtig streichelte er Émilie über die Wange und murmelte ein paar entschuldigende Worte; dann nahm er seinen Rock und seinen Umhang und verließ die Taverne.
Die kalte Luft brannte auf seinem Gesicht und seinem Hals, doch das tat ihm gut. Isabelle … Sie allein beschäftigte seinen Geist, seinen Körper, sein Herz … Bestürzt erkannte er, dass er eine Frau über alle Maßen liebte, die er niemals besitzen würde. Er ging ein Stück, um auf andere Gedanken zu kommen. Doch beinahe, ohne dass er es selbst bemerkt hatte, führten seine Schritte ihn in die Rue Saint-Jean. Er versteckte sich in einer Kutscheneinfahrt und beobachtete das schöne Steinhaus der Lacroix’. Seine Finger strichen über seinen Sporran , in dem er das Medaillon aus Horn trug, das er Isabelle bei der nächsten Gelegenheit schenken wollte.
Er war noch einmal zu dem Schmied gegangen, um sein Geschenk für Isabelle in Auftrag zu geben. Nachdem er ihm versichert hatte, er werde ihn nicht verraten, hatte Desjardins sich überschlagen, um ihm zu Gefallen zu sein. Natürlich könne man das Schmuckstück nach seiner Skizze fertigen. Sein Schwiegersohn sei Goldschmiedelehrling in Trois-Rivières. Er würde sich mit ihm ins Benehmen setzen und nichts dafür verlangen, wenn er dafür seine Verwicklung in den französischen Widerstand vergesse. Aber er müsse einige Freunde unter den Indianern, mit denen er regelmäßig Handel treibe, als Boten einsetzen; und die wollten für ihre Mühe entschädigt werden. Wenn Alexander ein Pfund aufbringen wolle … Der junge Mann war einverstanden gewesen. Gestern hatte er das Medaillon bekommen und war mit der Arbeit zufrieden. Das Schnitzwerk war in Bronze gefasst, die hübscher und widerstandsfähiger als Zinn war. Natürlich war das Schmuckstück mit nichts zu vergleichen, was ein Goldschmiedemeister aus Edinburgh wie sein Urgroßvater Kenneth Dunn hätte erzeugen können, doch es verriet, dass sein Schöpfer über ein gewisses Talent verfügte.
Eine kleine Gruppe tauchte an der Straßenecke auf, und er sah zu, wie die drei jungen Leute an ihm vorübergingen. Sie waren in den Zwanzigern, in dicke pelzgefütterte Mäntel gekleidet und trugen warme Fellmützen. Die jungen Festgäste klopften an die Tür der Lacroix’, die sogleich geöffnet wurde. Musik und Gelächter schwappten in die kalte Luft hinaus. Die drei Gestalten gingen hinein, rieben sich die Hände und traten sich auf der Schwelle den Schnee von ihren Stiefeln und Mitasses 47 ab. Herrgott, was hatte er eigentlich hier zu suchen? Ganz offensichtlich befand sich Isabelle in guter Gesellschaft und konnte sehr gut ohne ihn auskommen und ihn vergessen. An donas ort, Alasdair, geh doch zum Teufel, Alexander!, brummte er halblaut. Besser, er kehrte zu seinen Leuten zurück, in seine eigene Welt. Coll hatte wohl doch recht.
Während der junge Mann mit hängendem Kopf aus dem Schatten trat und den Rückweg antrat, bewegte sich an einem der Fenster des Hauses eine Silhouette. Isabelle richtete sich auf und legte die Hände auf das reifbedeckte Glas. Sie sah der Gestalt nach, die im Schneegestöber die Straße entlangging. Die Falten des Umhangs wehten und knatterten im Wind. Ein Soldat? Das Herz wurde ihr schwer.
Seit dem Morgen hatte sie nur an Alexander gedacht, doch sie hatte keine zwei Minuten Zeit gehabt, aus dem Haus zu schlüpfen. Perrine und Sidonie hatten Hilfe bei der Zubereitung des traditionellen Silvestermahls benötigt. Aber sie hätte Alexander schrecklich gern gesehen und ihm ein gutes neues Jahr gewünscht. Sie fragte sich, wie man wohl in Schottland den Jahreswechsel beging. Er war katholisch; ihre Bräuche mussten ähnlich sein. Was er wohl in diesem Moment tat? Wahrscheinlich amüsierte er sich mit seinen Landsleuten.
Zerstreut strich die junge Frau über den Schal, den sie um den Hals geschlungen trug. Ihre Mutter hatte ihr zugesetzt, sie solle ihn ausziehen. »Du verdirbst deine ganze Toilette!«, hatte sie gemeint. Doch Isabelle, die wie üblich tat, wonach ihr der Kopf stand, hatte Halsweh vorgeschützt, und ihre Mutter, die einen Rückfall fürchtete, hatte nicht weiter darauf beharrt. Dieser Schal wärmte ihr das Herz: Sie hatte ihn für Alexander gestrickt und hoffte, dass er ihm
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