Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
etwa von seiner Begegnung mit der liebreizenden Kirsty Campbell erzählen, nachdem er in Knapdale bei einer Zechtour, die aus dem Ruder gelaufen war, eine Tracht Prügel bezogen hatte? Kirsty … Sie hatte ihn in dieser Nacht in einer Scheune versteckt und verbunden. Anschließend hatten sie sich fast zwei Jahre lang ab und zu getroffen, wenn Alexanders Geschäfte ihn in diese Gegend führten. Er hatte der jungen Frau nie etwas versprochen, und sie hatte nichts von ihm verlangt. Seit Connie weigerte er sich, feste Bindungen einzugehen.
Nein, er konnte Leticia nicht von dem entsetzlichen Mord erzählen, dem Dolch, der sich in Kirstys zarten Hals gebohrt hatte, dem Blut, das ihre blasse Haut, ihr seidiges Haar getränkt hatte … Das Leben war aus ihrem Körper, den er so gern liebkost hatte, entwichen…
Er sah auf seine Hände hinunter. Für wie viele Tote waren sie verantwortlich? Wie oft hatte er ein Leben genommen, um das seinige zu erhalten, das doch so unglücklich war? Er hatte kein Vergnügen am Töten gefunden und bereute es trotzdem nicht, denn er hatte es getan, weil er keine andere Wahl hatte. Nein, es ging tatsächlich nicht an, dass er Leticia etwas von all dem anvertraute.
»Ich interessiere mich aber für dich, Alexander … viel mehr, als du glaubst.«
»Das solltest du aber nicht, Leticia«, flüsterte er betrübt. »Ich bin für keinen anderen Menschen gut. Im Gegenteil, ich bringe allen Unglück.«
Sie nahm sein Gesicht in die Hände und zog es ganz nahe an das ihre heran.
»Ich flehe dich an, Alexander, sei nicht so zynisch. Du bist nicht böse, sondern du leidest Qualen. Lass mich dir helfen.«
»Du kannst nichts für mich tun …«
Doch, das könntest du, aber das, was ich von dir will, kannst du mir nicht geben. Der leichte Atem Leticias wärmte ihm die Wangen. Als er sie so sah, fragte er sich, wie William ihn hatte täuschen können; obwohl sie fast genauso groß wie er und für eine Frau ungewöhnlich kräftig war. Sie war ganz sicher nicht hübsch, wie Kirsty es gewesen war, oder so kokett wie Connie. Aber sie besaß eine viel subtilere Schönheit, die man mit dem Auge nicht wahrnehmen konnte: eine schöne Seele. Und sie hatte diese Kraft und dieses Verständnis, die nur bei Frauen mit einem großen Herzen zu finden sind. Vielleicht hatte er im Grunde seines Herzens schon immer die Wahrheit über Leticia gewusst.
Besaß der Körper nicht die Macht, etwas vorauszuahnen, das der von vorgefassten Vorstellungen geblendete Verstand ablehnt, weil es nicht der »Normalität« entspricht? Er hatte diese Anziehung, die er von Anfang an empfunden hatte, unterdrückt und nicht versucht, nach ihrem Ursprung zu suchen. Aber nun, da er es wusste … stand Evan, ihr Ehemann, zwischen ihnen.
Die junge Frau, die argwöhnte, dass er gleich die Flucht ergreifen würde, drückte ihn mit ihrem Körper gegen die Wand und packte ihn am Kragen seines Rocks.
»Lauf nicht vor mir weg!«
Er schloss die Augen, so schmerzlich sehnte er sich danach, sie zu nehmen und zur Seinigen zu machen, trotz seiner Begegnung mit dem losen Weib eben, für die er sich jetzt schämte.
»Warum tust du das?«, murmelte er.
Ihre Hände glitten langsam an seinen Wangen hoch. Er drehte den Kopf ein wenig und spürte, wie ihre Finger seine Lippen streiften.
»Oh, Leticia! Ich möchte so gern …«
Zwischen ihnen gab es Worte und Berührungen, die ihnen verboten waren. Doch wie Dornenzweige, die unter die Haut dringen, versengten sie beide bis ins Herz. Leticia drängte sich leicht gegen ihn, und der Schmerz wurde stärker. Alexanders Finger glitten über den rauen Wollstoff ihres Rocks. Er legte die flachen Hände in ihr Kreuz, das sich wölbte.
Sie war sich der Wirkung, die sie auf ihn ausübte, ohne dass sie selbst etwas zu tun brauchte, vollständig bewusst. Genauso, wie William das immer gewesen war. Das körperliche Begehren, das Alexander in ihr erweckte, war zugleich spirituellen Ursprungs. Vage erkannte sie dieses Gefühl und spürte einen jähen Impuls, den jungen Mann zu trösten, seine Seele zu retten. Nicht, dass sie Evan nicht geliebt hätte, ganz im Gegenteil. Aber bei ihm war das etwas anderes. Er war wie ein Vater zu ihr gewesen, und jetzt war er ihr Ehemann, was sich manchmal ein wenig wie Inzest anfühlte.
Sanft und liebevoll hatte Evan ihr innere Ruhe geschenkt, und sie war bei ihm in Sicherheit gewesen. Dann hatte er sie ebenso zärtlich in die Liebe eingeführt. Dagegen ahnte sie bei Alexander
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