Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
Vom Netzwerk:
Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand. Eine andere Stimme, die sich von den zwei ersten unterschied, redete in einer Sprache, die er nicht verstand.
    »Ich wollte nur nachsehen, in welchen Zustand ihr ihn versetzt habt, Affengesicht!«, knurrte der Mann, der ihn untersucht hatte.
    »Affengesicht« brummte wieder. Dann hörte er ein dumpfes Klatschen, gefolgt von einem Röcheln. Offenbar hatte Affengesicht den anderen Mann geschlagen.
    »Drecksbande! Dem ziehe ich seinen Skalp ab!«
    Skalp? Dieser Ausdruck ließ die Wörter »Indianer« und »Krieg« in Alexanders Kopf aufsteigen, und dann kamen Bilder voller Gewalt. Vor einem Hintergrund aus Rauch blitzte es rot und blau auf. Ein Schlachtfeld voller Leichen. Verstreute Kilts, entstellte Gesichter, verstümmelte Körper. Sein Kopf schmerzte höllisch, und er stöhnte, als er sich umdrehte, um besser Luft zu bekommen.
    Neue Bilder. Teilweise zerstörte Festungsanlagen. Ein Regiment auf dem Marsch. Weinende Frauen. Gesichter, denen er einen Namen geben konnte, wechselten sich ab: Marion … Mama, Marcy, Mary, Margaret … Er ließ sich vom Strom seiner Erinnerungen tragen. Jetzt tauchten die Züge von Männern auf, die Leute aus seinem Clan: Glencoe.
    Nach und nach konnte Alexander die Ereignisse und Orte einordnen : Louisbourg, Québec, die Höhen. Es war, als laufe sein ganzes Leben vor seinem inneren Auge ab. Isabelle, ihre grünen Augen. Die Mühle … und dann ihr Verrat. Die Reise nach Grand Portage. Der Hollandais. Ja, jetzt wusste er wieder alles. Der Angriff aus dem Hinterhalt durch Étienne Lacroix und seine Kumpane … Der Schlag auf den Kopf.
    Der Gestank nach verbranntem Fleisch wurde stärker, während erneut ein grauenhafter Schrei erscholl. Schauer überliefen Alexander, und er spürte, wie seine Haare sich aufstellten. Männerstimmen wurden laut. Zwischen den Indianern und Étienne war ein Streit ausgebrochen, der ziemlich lange dauerte. Alexander wollte sich aufrichten, aber sein Kopfschmerz hielt ihn am Boden fest. Le Revenant murmelte ein Gebet. Er hörte Schritte. Da kam jemand.
    »Da habt ihr euren Anführer!«
    Das war Étiennes Stimme. Etwas Schlaffes klatschte schwer ins Gras.
    »Oooh! Ihr Bastarde … Ihr …«
    Le Revenant erbrach sich. Alexander nahm den faden Geruch von Blut wahr und öffnete die Augen, deren eines noch immer halb zugeklebt war. Zwei längliche Gegenstände lagen unmittelbar neben ihm. Als er genauer hinsah, erkannte er, dass es zwei Beine waren, die sich vor dem vom Feuer erhellten Hintergrund abhoben. Ein großer Gegenstand, der im Gras lag, zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
    »Sieh dir das gut an, Macdonald-Hund!«, zischte Étienne und versetzte dem Gegenstand einen Fußtritt. Er rollte bis vor sein Gesicht. »Schau es dir gut an, und dann denk darüber nach, was dir geschieht, wenn du darauf bestehst, den Mund zu halten! Ich versichere dir, dass du das Gold des Hollandais’ ausspucken wirst, bis auf die letzte Münze!«
    Der Geruch von Blut und frischem Fleisch wurde stärker und überlagerte den Gestank nach Erbrochenem. Alexanders Augen richteten sich auf die längliche Form neben ihm und passten sich der Entfernung an. Er drehte den Kopf ein wenig, um besser zu erkennen, worum es sich handelte.
    »Oh mein Gott!«, murmelte er, und dann warf Étienne ihm etwas zu.
    Im Licht des Mondes rollte der runde Gegenstand wie ein silberner Ball und kam an der länglichen Form zum Liegen. Mit einem Mal starrte Alexander ein blickloses blaues Auge an. Nicht weit von dem klebrigen Organ zeugte ein grauenhaft verzerrter Mund von den erlittenen Folterqualen. Als dem jungen Mann endlich das Entsetzliche klar wurde, vermochte er einen heftigen Anfall von Übelkeit nicht zu unterdrücken, und zum zweiten Mal kam ihm die Galle hoch. Vor ihm lag die groteske Zurschaustellung der hervorstechendsten Eigenschaft des Hollandais’ : Der Mann trug im wahrsten Sinne des Wortes sein Herz auf der Zunge!
     
    Im Rumpf des Kanus vergingen die Tage langsam. Zu Beginn hatte Alexander, der mit Händen und Füßen an ein Querbrett gefesselt war, viel geschlafen. Er konnte die Augen kaum offen halten und spürte immer noch die Nachwirkungen des schrecklichen Schlags auf den Kopf. Wenn es ihm gelang, wach zu bleiben, betrachtete er mit leerem Blick die Landschaft, die an ihm vorüberzog, und biss die Zähne zusammen, um seinen Kopfschmerz auszuhalten. Dumais und le Revenant, die ebenfalls gefesselt waren, befanden sich in zwei anderen Kanus,

Weitere Kostenlose Bücher