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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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sich zu rächen. Wenn sie eifersüchtig ist, wird sie böse. Hexerei ist auch böse und wird streng bestraft. Wenn Godasiyo nicht will, dass ich sie beschuldige, muss sie mir Weißer Wolf geben, damit ich gesund werde… Jetzt bin ich die tsiwei 42 , die Gefährtin von Weißer Wolf.«
    Zufrieden mit sich selbst, lächelte die junge Frau strahlend.
    »Du bist eine furchterregende Gegnerin, Tsorihia, und schrecklich gewitzt!«, warf Alexander ihr lachend vor und bleckte sein Wolfsgebiss, mit dem er sie verschlingen würde, endlich.

7
Der-mit-den-Augen-spricht
    Träge ließ Alexander sich vom ruhigen Strom der Zeit dahintragen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wohin er führte. Er war inzwischen einzig und allein Tsorihias Gefährte. Godasiyo hatte nach und nach das Interesse an ihm verloren. Er bezweifelte, dass die Macht des bösen oki allein verantwortlich dafür war. Merkwürdigerweise hatte Tsorihia jedes Mal, wenn Godasiyo ihren Wunsch zum Ausdruck brachte, ihren Mann für sich zu behalten und ihn nicht länger zu teilen, plötzlich einen Husten entwickelt und über Schmerzen in der Brust geklagt. Offensichtlich ließ sich niemand von ihrer kleinen Intrige täuschen, und es wurde hinter vorgehaltener Hand gelacht. Godasiyo ihrerseits war der ganzen Geschichte überdrüssig geworden und hatte ein Auge auf einen anderen Mann geworfen, der während des harten Winters Witwer geworden war.
    Dann kam der Frühling, ließ seine milde Brise über die Appalachen wehen und schmolz den Schnee. Die Flüsse schwollen an und sprudelten über steile Felsklippen. Die Wildgänse kehrten zu Hunderten, ja Tausenden zurück, zogen über die blaue Himmelsweite dahin und schwammen auf dem spiegelglatten Seneca-See, während sie Kräfte sammelten, um ihren Weg fortzusetzen.
    Die sonst langen Palaver im Rat fielen täglich kürzer aus. Die Männer waren nicht mehr zu halten. Fischerei und Jagd waren gut. Alexander, der inzwischen wieder weite Strecken laufen konnte, ohne dass seine Narben allzu sehr spannten, nahm an den Jagdausflügen teil. Er hatte sich mit Niyakwai und einigen anderen Kriegern, darunter Tekanoet, angefreundet und liebte diese Streifzüge, auf denen er ein gewisses Maß an Freiheit fand und sich die Überlebenstechniken der Eingeborenen aneignete, die er eines Tages brauchen würde. Zwar fühlte er sich wohl bei den Irokesen, aber er spürte, dass er nicht wirklich einer der ihren war und das auch niemals sein würde. Tief in seinem Inneren spürte er den Ruf der weißen Zivilisation, seiner eigenen Kultur. Aber im Moment wollte er sein Glück mit Tsorihia genießen.
    Heute brachte er seiner Gefährtin stolz eine schöne Hirschkuh. Er legte das Tier vor dem Langhaus auf den Boden und schaute sich nach der jungen Huronin um. Die ausgespannten Häute, die sie abgekratzt hatte, trockneten im Schatten des Gebäudes. Er hörte Kinderlachen von der anderen Seite der Trennwand aus Baumrinde und trat näher: Tsorihia saß mit zwei kleinen Mädchen auf dem Boden, fertigte eine Muschelkette und erzählte eine Geschichte.
    »… die alte Frau ging von einer Maispflanze zur anderen, riss die Kolben ab und legte sie in ihren Korb. Nachdem sie ihre Arbeit beendet hatte, wollte sie schon gehen, als sie eine leise Stimme hörte …«
    »Lass mich nicht zurück! Lass mich nicht zurück!«, rief eines der Mädchen aus.
    »Das ist gut, Awogoh, du erinnerst dich noch an die Geschichte.«
    »Erzähl weiter!«, schrie das andere kleine Mädchen ungeduldig.
    »Die alte Frau war erstaunt. ›Welches Kind könnte sich hierher verirrt haben? Wie kann ein Kind in ein Maisfeld geraten?‹, fragte sie sich. Sie stellte ihren Korb ab und machte sich auf die Suche nach dem Kind, das sich verlaufen hatte. Als sie es nicht fand, nahm sie ihren Korb, um zu gehen. Da hörte sie das Stimmchen wieder: ›Oh, lass mich nicht zurück! Geh nicht weg, ohne mich mitzunehmen!‹ Lange suchte die Frau das Feld ab. Sie fand viele Mäuse, Hasen und Schlangen, aber kein Kind. Schließlich entdeckte sie unter einem Blatt einen ganz kleinen, weinenden Maiskolben. Er hatte sie also gerufen!
    Deswegen sollen wir, bevor wir ein Feld verlassen, immer aufmerksam unter jedes Maisblatt schauen, um uns zu vergewissern, dass wir keinen einzigen Kolben vergessen haben, der sonst traurig zurückbleiben würde …«
    Die Mädchen brachen in ein erfrischendes Gelächter aus. Die drei boten ein rührendes Bild. Mit einem Mal musste Alexander an Mikwanikwe und Otemin

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