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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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verstummte er. Da waren Stimmen; jemand kam über den Fluss. Er hatte gerade noch Zeit, Tsorihia ins Buschwerk zu schieben. Jetzt schob sich ein Kanu in ihr Blickfeld. Zuerst glaubte er, die Krieger aus dem Dorf wären auf der Suche nach ihm. Doch das Boot fuhr auf das Dorf zu, statt von dort zu kommen. Besucher … Er betrachtete das Kanu genauer und stellte fest, dass es etwas anders gebaut war als die Boote der Seneca. Außerdem trug es am Bug nicht das Zeichen des Clans der Marter. Der Führer trug einen Filzhut nach französischer Art und hatte Federn in seine Zöpfe geflochten. Ein Eingeborener. Aber die drei anderen Insassen des Kanus waren Weiße.
    Alexanders Herz pochte heftig, und er fühlte sich von widerstreitenden Gefühlen hin- und hergerissen. Er genoss das angenehme Leben, das ihm hier geboten wurde, und hatte seine Fluchtpläne zeitweilig zurückgestellt. Aber hier bot sich ihm eine Chance. Nirgendwo war ein irokesischer Krieger zu sehen. Er könnte sich ganz einfach zeigen, seine Lage erklären und zusammen mit diesen Besuchern verschwinden.
    Während er mit diesen Gedanken rang, beobachtete ihn Tsorihia. Dann schaute sie wieder zu dem Kanu, das an ihnen vorbeizog. Der Mann, der im Bug saß, kam ihr vage bekannt vor. Sie zog die Augen zusammen, um die Züge des Eingeborenen besser mustern zu können. Da war diese Narbe auf seiner rechten Wange … Aus ihrer Erinnerung stiegen Bilder auf, die dieses Gesicht zeigten.
    »Tsorihia?«
    Das war die Stimme von Weißer Wolf. Sie blinzelte. Das Kanu war vorbeigefahren, und über dem Fluss war es wieder still. Alexander sah sie mit einem merkwürdigen Blick an.
    »Geht es dir auch gut, Tsorihia?«
    Sie nickte wortlos, aber ihre Hände zitterten. Alexander bemerkte es und schaute sie besorgt an.
    »Kennst du diese Männer?«
    »Ich … weiß nicht. Ich bin mir … nicht sicher«, murmelte sie.
    »Waren sie schon einmal hier? Haben sie das Dorf angegriffen ?«
    Angegriffen … Andere Bilder huschten vor dem inneren Auge der jungen Frau vorüber: ein Massaker, Feuer, das Häuser verschlang, Leichen. Dann kam noch mehr: Frauen, die, ihre weinenden Kinder in den Armen, schreiend davonliefen. Tsorihia erinnerte sich, wie sie plötzlich ein Arm gepackt hatte. Sie hatte geglaubt, das sei Nonyacha, der sie vor dem Gemetzel retten wollte …
    »Antworte mir doch, Tsorihia! Kann es sein, dass diese Männer das Dorf angreifen wollen? Sind sie Feinde der Seneca?«
    »Feinde?«, stammelte sie apathisch und suchte in ihren Kindheitserinnerungen. »Ich weiß nicht… Ich weiß es einfach nicht!«, rief sie mit einem Mal panisch und sah zu ihm auf.
    »Komm! Wir müssen zurück und Niyakwai und Gayengwahta warnen!«
     
    Bei den Weißen handelte es sich in der Tat um Pelzhändler. Zwei von ihnen waren Franzosen aus Cahokia, und der dritte war Amerikaner. Der große irokesische Sachem war bereit gewesen, seinen Rat einzuberufen, um mit ihnen zu verhandeln. Alexander und Tsorihia wussten nicht, worum es ging, und warteten nun schon seit einer Stunde an der Tür des Hauses, in der die Versammlung stattfand. Die junge Huronin hatte den Führer zu erkennen geglaubt, der die drei Weißen begleitete, und Alexander wollte, dass sie ihn sich noch einmal ansah. Vielleicht konnte der Eingeborene ihm bei der Flucht behilflich sein…
    Nach einiger Zeit verließen die Krieger das Gebäude, und es dauerte nicht lange, bis die Weißen ihnen folgten. Als der Indianer, der sie begleitete, ebenfalls aus dem Haus trat, erstarrte Tsorihia. Er hatte seinen Hut abgenommen. Da die Sonne jetzt rasch unterging, lag sein Gesicht zur Hälfte im Schatten. Trotzdem konnte sie seine Züge jetzt genauer betrachten. Als er sich zu einem der Franzosen umdrehte, um das Wort an ihn zu richten, kreuzten sich ihre Blicke. Der Eingeborene sah die beiden kurz an und wandte sich dann ab.
    »Nonyacha …«, hauchte sie.
    »Nonyacha?«
    »Mein Bruder! Das ist mein Bruder!«
    »Herrgott! Bist du dir sicher? Ich meine… wie viele Jahre ist das her?«
    »Sechzehn Jahre. Aber ich erinnere mich genau … Nie werde ich das vergessen. Eine Gruppe von Huronen, die mit den Irokesen verbündet waren, kamen zusammen mit einigen Engländern den Detroit-Fluss herunter. Wir wohnten in der Mission von Bois-Blanc, die von Pater Poitier geleitet wurde. Sie haben uns angegriffen … und alles niedergebrannt. Ich weiß noch, wie Nonyacha versuchte, mich meinem Entführer zu entreißen«, stöhnte sie, eine Hand vor dem Mund

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