Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
von der Dunkelheit und den Schneewolken, die er aufwirbelte, verschlungen worden war. Immer noch hielt er das Messer in der verkrampften Hand.
»Wir werden uns wiedersehen, l’Écossais. Und dann werde ich Marcelline rächen.«
»Seid Ihr so weit, meine Liebe?«
Pierre hatte Isabelle, die sich kaum auf ihren schwachen Beinen halten konnte, untergefasst.
»Jaaa …«
Das klang mehr nach einem Miauen denn nach einem Wort. Die junge Frau schloss die Augen, um ihr Schwindelgefühl zu dämpfen, und hielt sich an der Wand fest, damit sie nicht auf die Nase fiel. Ihr Magen drehte sich um. Pierre sah, dass ihr Teint grau war, und ging schneller. Die Kutsche wartete. Ein wenig verwirrt vertrat sich Isabelle und rutschte ein paar Treppenstufen hinunter.
»Oooh!«, rief sie und hielt sich am Arm ihres Mannes fest. »Ich … bin …«
»Ein wenig betrunken, würde ich sagen«, beendete Pierre ihren Satz. »Der junge Frobisher hat Euch ja auch ständig aus der Punschschüssel bedient. Ich fürchte, Ihr habt ihn verhext. Aber ich bin Euch nicht böse … Wie könnte ein Mann auch Eurem Charme widerstehen, Madame Larue? Ihr seid die… göttlichste der Frühlingsfeen … Ihr seid eine Inspiration der Liebe. Psyche muss bleich vor Neid sein.«
Isabelle hickste und setzte eine ironische Miene auf.
»Wir … wirklich? Nun … wenn Ihr es sagt!«
Sie schüttete sich vor Lachen aus. Der Mann, den sie in Wirklichkeit gern bezaubert und inspiriert hätte, war verschwunden, als er sie gesehen hatte. Aber der Blick, den sie von ihm aufgefangen hatte, war bar jeder Feindseligkeit gewesen. Er war ihr sogar… heiter vorgekommen. Das hatte sie verblüfft und beunruhigt. Wenn er sie einmal geliebt hatte, würde er doch sicher einen Groll gegen sie hegen, die ihn so schändlich verraten hatte… Er hätte ihr wenigstens eine natürlich berechtigte Kälte entgegenbringen können. Das hätte sie verstanden und akzeptiert. Aber dass er… so ruhig war und lächelte … Sollte sie sich derart in seinen Gefühlen geirrt haben?
Ihr Fuß rutschte auf dem mit Schlamm überzogenen Stein aus, und ihr Lachen ging in einem leisen Schrei unter. Die schönste aller Feen? Im Moment machte die charmante Fee eine schlechte Figur und wäre lang in den Schnee geschlagen, wenn Pierre sie nicht mit fester Hand gestützt hätte. Sie fühlte, wie er sie auf den Sitz des Wagens schob.
»Basile!«
»Ja, Monsieur?«
»Fahr uns in Richtung Saint-Louis.«
»Sehr wohl, Monsieur.«
Isabelle sah ihren Mann, der die Tür schloss, aus glasigen Augen an.
»Nach Saint-Louis? Bei diesem Wetter? Ich möchte lieber schlafen gehen«, jammerte sie gähnend.
»Die frische Luft wird Euch außerordentlich guttun, meine Liebe, und bald geht auch die Sonne auf. Ihr werdet sehen, dort oben auf dem Berg ist der Sonnenaufgang wunderbar.«
»Wunderbar«, wiederholte Isabelle leise und kämpfte gegen den Schlaf und ihre Übelkeit.
Die frische Luft tat ihr tatsächlich gut, und der Anblick der Stadt unter dem heller werdenden Himmel mit seinen Pastelltönen beruhigte ihre aufgeregte Seele. Eine Vision … Das war nichts als eine Vision gewesen, sagte sie sich, und ihr Blick verlor sich in den blauen Lichtstreifen über ihr. Vollkommen unmöglich, dass Alexander auf diesem Ball gewesen war. Das war ein Mann gewesen, der ihm ähnlich sah, nichts weiter. Dann sah sie wieder seine tiefblauen Augen und sein ganz eigentümliches Lächeln vor sich, und erneut stiegen Zweifel in ihrem aufgewühlten Geist auf.
Pierre, der neben ihr saß, legte das Kinn an ihre Schulter und schlang die Arme um sie. Sein Atem wärmte ihre Wange. Sie schloss die Augen und ließ sich von dem Gezwitscher der Vögel wiegen, die nach einer kalten Nacht erwachten. Was für eine Nacht! Was für ein Ball. Madame Larue hatte sich amüsiert, hatte getanzt und getrunken. Aber ihr Herz war schwer gewesen, und tief im Inneren hatte sie sich gelangweilt.
»Geht es Eurem Kopf besser?«
Der liebe Pierre, immer so freundlich und aufmerksam. Sie konnte ihm nicht erklären, warum sie so bestürzt war.
»Ein wenig.«
»Möchtet Ihr noch ein Stück gehen?«
»Basile wird sicher ungeduldig sein … Vielleicht sollten wir zurückfahren.«
»Basile tut, was man ihm befiehlt, Isabelle«, flüsterte Pierre und drehte sie in seinen Armen um, sodass sie ihn ansah. »Er hat den ganzen Abend geschlafen. Und ich habe noch keine Lust, nach Hause zu fahren … jedenfalls nicht gleich. Oder ist Euch kalt?«
»Mir
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