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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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schlug ihm ins Gesicht. Leichter Schwindel zeigte ihm an, dass er schon reichlich genug getrunken hatte. Vielleicht sollte er sich lieber schlafen legen. Doch die Vorstellung, einen guten Whisky zu kosten, gefiel ihm gut.
    Er atmete tief durch, um einen klaren Kopf zu bekommen, und schlug den Kragen seiner Elchleder-Jacke hoch. Das weiche Leder erinnerte ihn an Tsorihias Haut. Die junge Indianerin hatte ihm das Kleidungsstück kurz vor seinem Aufbruch nach Montréal geschenkt. Er spürte eine tiefe Zerrissenheit. Sicherlich, er empfand eine tiefe Zuneigung für Tsorihia. Aber die hatte nichts gemeinsam mit der Leidenschaft, die Isabelle in ihm erweckte. Er wusste, dass er eine Entscheidung treffen musste. Und er würde leiden, ob er sich für die eine oder die andere Frau entschied. Das war unvermeidlich.
    Die Hauptstraße, die aus Lagerschuppen und Trink- und Amüsieretablissements bestand, stank nach schlechtem Wein und war trotz der späten Stunde noch dicht bevölkert. Betrunkene, die einander die Arme um die Schultern gelegt hatten, schwankten singend hin und her. Zwei Eingeborene, die aus einer Weinschenke kamen, heulten wie Wölfe bei Vollmond und schütteten sich über die erschrockenen Mienen der Passanten vor Lachen aus. Munro entbot ihnen auf Algonquin einen guten Abend. Einer der beiden Männer verneigte sich so tief, dass er umfiel. Sein Kamerad brüllte vor Lachen und wollte ihm aufhelfen, fand sich aber Sekundenbruchteile später über ihm liegend wieder.
    »Hier ist es«, erklärte Munro und schob Alexander ein paar Schritte später abrupt in den Eingang eines anscheinend verlassenen Hauses.
    Er klopfte zweimal kurz an die Tür und wartete. Ein Zwerg, dessen Schädel so kahl wie eine Billardkugel war, öffnete ihnen.
    »Welcher Vogel singt bei Nacht?«
    »Die Lerche … Cormack schickt uns.«
    »Seit wann singen Lerchen bei Nacht?«, flüsterte Alexander, während er seinem Cousin folgte. »Und überhaupt, wo sind wir hier?«
    »In der Werkstatt eines sehr zuvorkommenden Segelmachers.«
    »Und Whiskyliebhabers?«
    »Unter anderem …«
    Im Licht der Laterne, die der Zwerg trug, enthüllte Munro eine blitzende Zahnreihe. Fasziniert sah Alexander sich um. Kisten, aus denen Segel und Rollen quollen, standen an einer Wand aufgereiht. Ein Stapel von Holzkästen voller Papierrollen stand an einer anderen. An Pfosten waren Skizzen von Segeln aufgehängt. Alles war ruhig und dunkel. Doch wenn man die Ohren spitzte, vernahm man hinter einer der Wände leises Stimmengemurmel.
    Mit schriller Stimme forderte der Zwerg sie auf, ihm in den hinteren Teil der Werkstatt zu folgen. Er schob ein Segel beiseite, das darauf wartete, geflickt zu werden. Eine Tür kam zum Vorschein, und er öffnete sie. Dann führte er die beiden durch einen dunklen, schmalen Gang zu einer zweiten Tür. Er klopfte zweimal kurz, dann noch dreimal.
    »Die Lerche singt bei Nacht…«
    Zuerst meinte Alexander, sie befänden sich in einem Privathaus, in das man sie durch den Dienstboteneingang eingelassen hatte. Ein Kronleuchter mit ungefähr dreißig Kerzen hing im Zentrum eines großen Salons und tauchte den Raum in ein goldfarbenes, unstetes Licht. Dieser Ort hatte nichts mit der Taverne gemeinsam, die sie gerade verlassen hatten. Keine Aufschneider, die leichten Mädchen den Hof machten, keine armen Soldaten, die in der Hoffnung, ein Vermögen zu gewinnen, ihre letzten Münzen verspielten, kein ohrenbetäubender Lärm … Stattdessen bewegte sich eine bunt zusammengewürfelte Menge aus elegant gekleideten Männern und Frauen in Negligés zu leiser Musik und unter gedämpften Gesprächen zwischen Tischchen hindurch, auf denen sich Gläser sammelten. Ein riesiger Schwarzer in gelber Livree und rotem Fes ging mit einer Flasche von einem Grüppchen zum anderen. Er verneigte sich vor Alexander und Munro und musterte sie argwöhnisch. Dann bat er sie zu warten und ging zu einer Tür, durch die er verschwand.
    Die Cousins standen am Fuß einer Treppe aus poliertem Holz, die in die erste Etage führte und auf der ebenfalls Menschen im Gespräch waren. In den dunklen Teilen des Raumes, in den sie gekommen waren, erkannte Alexander längliche, sich bewegende Schatten auf Polsterbänken. Munro hatte ihn in ein illegales Bordell geführt.
    Über teilweise abgeschabten, mit nachtblauer Seide bezogenen Sesseln hingen Bilder mit freizügigen Darstellungen. Ein besonders obszönes Gemälde nahm den Ehrenplatz in der Mitte der hinteren Wand ein. Es zeigte

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