Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
»hast du gewusst, dass Alexander zu dieser Gruppe gehörte, oder war das alles nur eine bedauerliche Verkettung von Zufällen?«
»Mama, fah’en wi’ heute auf das Landgut?«, fragte Gabriel und zupfte am Rock seiner Mama, die die Inventarliste des zweiteiligen Buffets überprüfte, während Louisette darauf wartete, mit dem Einpacken beginnen zu können.
»Nein, mein Schatz.«
»Aber wann fah’en wi’ denn? Papa hat gesagt, e’ wü’de es kaufen!«
Isabelle schloss die Augen, biss die Zähne zusammen und stieß einen langgezogenen Seufzer aus. Dann drehte sie sich zu ihrem Sohn um und kauerte sich vor ihn.
»Von dort aus, wo er jetzt ist, kann dein Papa das Landgut nicht kaufen.«
»E’ hatte es ve’sp’ochen! Er hat mi’ ein Pony ve’sp’ochen! Ich will mein Pony!«
»Eines Tages bekommst du es, Gabriel, das verspreche ich dir. Aber im Moment lass mich bitte mit dem Packen fertigwerden.«
»Wa’um fah’en wi’ übe’haupt? Ich will nicht wegfah’en, wenn ich mein Pony nicht bekomme.«
Isabelle verlor die Geduld und schlug einen schärferen Ton an.
»Wenn du brav bist, bekommst du dein Pony … wenn wir erst in Beaumont leben.«
»Und wo ist das, Beaumont?«, erkundigte das Kind sich jetzt ruhiger.
»Erinnerst du dich noch an Madeleines Haus?«
»Tante Mado?«
»Ja. Also, Beaumont liegt gleich auf dem anderen Flussufer. Würdest du Madeleine gern öfter besuchen?«
»Oh ja!«
»Schön. Und jetzt lass mich noch ein bisschen arbeiten.«
Isabelle fasste ihren Sohn an den Schultern und drehte ihn um. Während sie ihn auf die Treppe zuschob, bemerkte sie etwas Merkwürdiges an seiner Kleidung.
»Gabriel, du hast ja deine Hose verkehrt herum an!«
»Ich weiß, Mama!«
»Und warum drehst du sie dann nicht auf die richtige Seite?«
»Weil ich de’ gute König Dagobe’t bin!« 50
»Heiliger Himmel! Hast du die Zinnsoldaten aufgehoben, wie ich es dir gesagt habe?«
»Nein …«
»Dann geh sie jetzt wegräumen, sonst gibt es keine Vesper! Und vergiss nicht, deine Hose richtig herum anzuziehen, verstanden !«
»Ja, Mama.«
»Allez hopp!«
»Hopp, hopp, hopp!«
Von einer Stufe zur anderen hüpfend entfernte sich Gabriel.
»Wenn Ihr meine Meinung hören wollt, Madame, kommt der Kleine ziemlich gut zurecht«, bemerkte Louisette, die damit beschäftigt war, alte Lappen zu zerreißen, um die zarten Untertassen aus englischem Porzellan, Pierres letztes Geschenk, zu schützen.
Isabelle betrachtete eine Tasse und stellte sie auf den Tisch.
»Hmmm … Kinder haben diese wunderbare Gabe des Vergessens, über die wir Erwachsenen nicht verfügen.«
»Ich glaube eher, dass es ihnen leichter fällt, sich mit etwas abzufinden, das sie nicht ändern können, Madame.«
»Als könnte man sich mit dem Tod seines Vaters abfinden!«
»Das habe ich nicht gemeint …«
»Nein, natürlich nicht. Entschuldige, Louisette. Ich habe in den letzten Tagen eine fürchterliche Laune.«
»Ihr solltet es Gabriel nachtun und Euch ein wenig amüsieren.«
»Ja, ganz bestimmt. Ich komme sicher auf andere Gedanken, wenn ich ebenfalls meine Zinnsoldaten hervorhole!«
Das Dienstmädchen, das mit dieser Bemerkung nichts anfangen konnte, sah aus großen Augen zu seiner Herrin auf.
»Herrgott, ich habe einen Scherz gemacht, Louisette! Wenn wir das hier eingepackt haben, sind wir mit dem Esszimmer fertig. Dann sind nur noch die Küchensachen übrig, um die wir uns erst im letzten Moment kümmern können.«
»Habt Ihr schon ein Datum für die Abreise festgesetzt, Madame ?«
»Nein… Wir haben ja keine Eile.«
»Wir müssen uns auf das unbedingt Nötige beschränken…«
»Für ein paar Tage wird das reichen. Übrigens, wann kommt Monsieur Moisan, um die größeren Möbel abzuholen?«
»Am zwanzigsten, Madame.«
»In fünf Tagen schon? Dann muss ich mich beeilen und meinen großen Kleiderschrank ausräumen!«
»Das kann ich doch heute Abend tun …«
»Nein, lass nur, Louisette. Darum kann ich mich sehr gut selbst kümmern. Hat Basile den großen Koffer hinaufgebracht?«
»Heute Morgen.«
»Wunderbar! Du kannst das Geschirr zu Ende einpacken und dann Marie helfen, das Abendessen zuzubereiten.«
Isabelle drehte sich um ihre Achse und schlängelte sich zwischen den Kisten, die sich auf dem Korridor stapelten, hindurch. Während sie die Treppe hinaufstieg, vernahm sie eine Reihe lautmalerischer Ausrufe, die wohl eine blutige Schlacht darstellen sollten. Oben blieb sie auf der Schwelle des
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