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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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hatte recht: Ihr Sohn kam besser zurecht als sie. Wann hatte sie zum letzten Mal ausgelassen gelacht? Sie trat wieder an den Schrank, um dieses Mal die Unterhemden herauszunehmen, und dachte, dass sie die abgetragensten aussortieren und zu den Schwestern der Charité bringen sollte.
    Vielleicht sollte sie auch ein oder zwei Kleider weggeben; in Beaumont würde es wenig gesellschaftliche Anlässe geben, zu denen sie sie tragen könnte…
    Als sie die Hand unter einen zweiten Stapel Hemden steckte, spürte sie einen harten Gegenstand. Sie zog ihn hervor und stellte fest, dass es sich um eine Schatulle handelte. Einige Sekunden lang sah sie darauf hinunter. Dann stiegen ihr die Tränen in die Augen, und sie öffnete sie.
    Während sie den Inhalt betrachtete, sank sie auf die Knie: Diese alte, vergilbte Spielkarte, dieses Medaillon aus angelaufener Bronze und diesen Hornring kannte sie gut … Sie nahm den Ring und steckte ihn an ihren Finger, wo er ein wenig enger als früher saß. Leise begann sie zu sprechen.
    »Im Angesicht Gottes … bei dem Leben, das in meinem Blut fließt und der Liebe, die in meinem Herzen wohnt, nehme ich, Marie Isabelle Élisabeth Lacroix, dich, Alexander Colin Campbell Macdonald, zum Ehegatten …«
    Sie schluchzte auf und ballte die Hand zur Faust. Dann nahm sie das Medaillon, das an einem Seidenband hing, und hielt es an ihre heiße Wange. Es war kühl. Sie schloss die Augen, um sich zu erinnern.
     
    »Schmuck und alles andere sind mir gleich, das weißt du doch, Alex.« »Ja natürlich, Schmuck aus Horn oder Bronze jedenfalls!«
     
    Fast genauso lebhaft wie damals spürte sie die Wunde, die Alexander ihr zugefügt hatte, als er diese zornigen Worte sprach; damals, als sie sich am Flussufer getroffen hatten, an dem Tag, bevor er ins Oberland abgereist war.
    »Dieses Schmuckstück ist mir mehr wert als alle anderen, Alex!«
    Sie verknotete das Seidenband an ihrem Hals und strich noch einmal mit den Fingerspitzen über das Medaillon. Schließlich nahm sie die Spielkarte; das Herzass. Mit ihrem abgebrochenen Fingernagel strich sie über die Worte Love ye , die darauf standen.
    Das Leben ist ein Gewebe aus kleinen Stückchen Glück, Alex … und die Trauer gibt den Schussfaden ab. Es braucht Mut … und Herz…, erneut das Weberschiffchen zur Hand zu nehmen. Ich weiß nicht, ob ich dazu in der Lage bin … Du musst Verständnis dafür haben, dass ich zuerst an Gabriel zu denken habe.
    Sie wandte den Kopf zu dem halboffenen Fenster und hörte das Knarren eines Karrens, der vor dem Haus vorbeifuhr, und die Stimme des Holzlieferanten, der sich beim Nachbarn über den schlechten Zustand der Straßen beklagte. Eine Meise setzte sich auf die Kante des Wagens, ein paar Sekunden nur. Dann nahm sie mit einem Satz ihren Flug wieder auf und verschwand in der azurblauen, strahlenden Unendlichkeit … Isabelle steckte die Karte in ihre Tasche und machte sich wieder an die Arbeit.
     
    Das Kinn mit Zeichenkohle verschmiert, saß Isabelle in dem kürzlich eingerichteten Zeichenatelier, das jetzt schon wieder leer geräumt wurde, und betrachtete die Skizze, die sie beendet hatte. Die Züge wurden dem Modell gerecht, aber es fehlte ihnen ein wenig an Leben. Sie betonte die schmollende Lippe, zog einen Augenwinkel nach und verlängerte eine Braue. Ja, jetzt sah es ihm ähnlicher … Zufrieden mit sich selbst lächelte sie.
    »Mama, Mama!«
    Ihr Modell steckte sein Kinderköpfchen durch den Türspalt. Nein, ich habe das Kinn zu rund gezeichnet …, dachte sie. Sie griff nach ihrer Kohle und machte sich erneut ans Werk.
    »Es gibt gleich Abendessen, Mama!«
    »Ich bin noch nicht fertig… Marie soll meine Portion im Backofen warmhalten.«
    »B’auchst du noch lange?«
    »Nein, ich komme gleich, Gaby.«
    Murrend verschwand der kleine Junge in den Korridor. Isabelle seufzte. Sie hatte keine Lust, sich den fragenden Blicken der Dienstboten auszusetzen, die immer noch darauf warteten, dass sie das Datum ihrer Abreise festlegte. Auch der derzeitige Bewohner des Hauses in Beaumont harrte ungeduldig darauf, dass sie ihm mitteilte, wann sie das Anwesen in Besitz zu nehmen gedachte. Sie hatte das Gefühl, der ganze Planet bedürfe ihrer, um sich weiterzudrehen.
    Sie beugte sich über ihre Zeichnung und zog die Augen zusammen. Dieses Lächeln … mit der Spitze des Zeigefingers verwischte sie einen Schatten unter der Nase. Dann nahm sie ihren Kohlestift und verlängerte die geschwungene Linie des

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