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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Mundes.
    »Hmmm …«
    Sie fuhr fort und vergrößerte und schattierte die Wange, skizzierte eine leicht gewölbte Stirn, veränderte den Haaransatz, zeichnete eine gebrochene Nase und arbeitete die Wangenknochen stärker heraus … Nach einer Weile legte sie die Kohle weg und betrachtete die Veränderungen, die sie vorgenommen hatte. Die Wirkung war atemberaubend …
    Schön, jetzt die Farben! Wohin hat Gabriel sie nur … Ach ja!
    Sie stellte die Schachtel mit den Pastellfarben auf ihre Knie und wählte das reinste, tiefste Blau. Die Augen ihres Porträts erwachten zum Leben.
    »Was zeichnest du da, Mama?«
    »Aaah!«
    Verblüfft fuhr Isabelle zusammen. Die Schachtel fiel zu ihren Füßen nieder, und die zerbrochenen Pastellkreiden verteilten sich auf dem Boden. Gabriel wirkte aufrichtig zerknirscht.
    »Entschuldige, Mama. Das habe ich nicht mit Absicht getan.«
    Seine Mutter schloss die Augen und atmete tief ein und aus, um die Ruhe zu bewahren.
    »Ich weiß, Gaby. Aber du hättest anklopfen können!«
    »Ich habe geklopft! Dann bin ich einget’eten, weil du nicht geantwo’tet hast.«
    »Hast du Marie gesagt, dass ich später esse?«
    »Ja …«
    Der Knabe kam näher und erblickte die Zeichnung.
    »Das ist ja der Mann!«
    »Welcher Mann?«
    »Na, der Mann mit dem Apfel!«
    »Was für ein Apfel?«
    »Na ja, ich hatte ihn genommen, und e’ hat ihn bezahlt, damit ich nicht ins Gefängnis muss.«
    »Es heißt ›errr‹. Aber was ist das für eine Geschichte von einem Apfel und dem Gefängnis?«
    Gabriel runzelte die Stirn. Isabelle vermutete, dass er das Gesicht auf der Staffelei mit dem eines Markthändlers verwechselte.
    »Schon gut. Ich sammle alles auf. Geh in die Küche und iss zu Ende. Ich komme in zwei Minuten.«
    »Aber e’ wa’tet, Mama.«
    »Wer?«
    »Na, e’.«
    Der Junge wies mit dem Finger auf die Skizze.
    »Die Zeichnung ist fertig. Sie kann ruhig ein wenig darauf warten, dass ich sie wegräume. Komm, hilf mir beim… Gaby! Wohin willst du?«
    Der kleine Junge war im halbdunklen Korridor verschwunden. Isabelle spürte, wie ihre gute Laune sich verflüchtigte. Sie räumte die zerbrochenen Pastellkreiden eine nach der anderen in die Schachtel. Dann nahm sie den Karton und die Zeichenmappe, die auf der Staffelei stand, und betrachtete lange das Porträt, das sie verfertigt hatte.
    »Hie’ ist e’ doch, Mama!«
    Isabelle drehte sich um, stieß einen leisen, verblüfften Ausruf aus und ließ das Heft fallen, das mit einem trockenen Knall auf dem Boden landete. Gabriel sah, wie seiner Mutter das Blut aus dem Gesicht wich und die Pastellfarben sich erneut über den Boden ergossen.
    »Deine Fa’ben, Mama!«
    Als sie keine Antwort gab, trat er auf sie zu.
    »Mama? De’ Mann mit dem Apfel ist gekommen. E’ will mit di’ sp’echen.«
    Die Stimme des Knaben schien ihr von ganz nah und aus großer Entfernung zugleich zu kommen. Isabelle riss den Blick von der Gestalt los, die im Türrahmen stand, und beugte sich mit schwerem Herzen über ihren Sohn, der sie ängstlich und betrübt zugleich ansah.
    »Mama«, flüsterte Gabriel und warf einen Blick über die Schulter. »Du e’laubst doch nicht, dass e’ mich mitnimmt, ode’? Ich will nicht ins Gefängnis. Sag ihm, ich gebe ihm seinen Apfel zu’ück.«
    »Zurrrück …«
    »Sag ich doch…«
    »Der Herr wird dich nirgendwohin mitnehmen, Gaby … Lässt du uns jetzt bitte allein? Sag Louisette und Marie, dass ich unter keinen Umständen gestört werden möchte.«
    »Und dein Abendessen?«
    »Mein Essen … Ich habe keinen großen Hunger mehr. Marie soll… ach, sie soll es Arlequine geben.«
    Sie legte beide Hände um den Kopf des Jungen und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
    »Mama!«, knurrte der Knabe und lief puterrot an.
    Sehnsuchtsvoll und traurig betrachtete Alexander, dem das Herz klopfte, das Bild, das Mutter und Sohn abgaben. Als Isabelle ihn losließ, rannte Gabriel zur Tür. Ein wenig verärgert bedeutete ihm der Knabe, dass er ihm den Weg versperre. Alexander entschuldigte sich und trat beiseite, und sein Sohn verschwand vor sich hin murrend.
    Isabelle hob die zerbrochenen Kreiden auf und legte sie sorgfältig wieder in ihre Schachtel. Ihre Hände zitterten. Als sie sich aufrichtete, fand sie sich Alexander gegenüber, der stocksteif dastand. Nur sein ungleichmäßiger Atem und seine Blässe verrieten seine ängstliche Anspannung.
    »Ich hatte dir doch gesagt… dass ich zurückkomme.«
    »Ja, ich weiß.«
    Isabelle stellte die

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