Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Begründung?«
»Geleistete Dienste. Mehr steht hier nicht.«
Isabelle überließ den Vertrag dem Notar, der sich noch einige Minuten damit beschäftigte, und setzte sich in den Sessel, der noch warm war, nachdem Jacques Guillot darin gesessen hatte. Warum befand sich der Vertrag zusammen mit Alexanders persönlichen Gegenständen in diesem Geheimfach? Pierre hatte ihr nie von seiner Partnerschaft mit Étienne erzählt. Außerdem hatte Étienne, wenn sie sich recht erinnerte, von dieser Reise nicht mehr mitgebracht als ein paar Ballen Pelze. Seine »Beute« hatte nichts mit dem zu tun, was man von einer Expedition in den Norden erwartete, die eine Investition von zweitausend Pfund erforderte! Und was mochten diese »geleisteten Dienste« sein? Das war alles sehr mysteriös … Vielleicht sollte sie mit Étienne darüber sprechen. Er würde ihr alles erklären können, denn schließlich stand seine Unterschrift unter diesem Dokument.
»Glaubt Ihr, Euer Bruder wird Anspruch auf Beaumont erheben ?«, fragte Jacques Guillot, faltete den Vertrag wieder zusammen und legte ihn zurück in das Fach.
»Im Moment gehört Beaumont mir, und dabei wird es auch bleiben, bis mir jemand das Gegenteil beweist. Dieser Vertrag ist schließlich schon drei Jahre alt! Wenn Étienne den Besitz wirklich wollte, dann hätte er schon längst die Rechte einfordern können, die ihm dieser geheimnisvolle Vertrag einräumt. Und außerdem, woher wollen wir wissen, ob er Pierre diesen Dienst, über dessen Art nichts hier steht, wirklich erwiesen hat? Das alles muss ich aufklären, ehe ich irgendeine Entscheidung treffe.«
Der Notar konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.
»Dann darf ich daraus schließen, dass Ihr Eure Pläne, nach Beaumont zu ziehen, einstweilen aufschiebt, Madame?«
Verblüfft schaute Isabelle zu ihm auf. Da sie mit einer Antwort zögerte, kniete er vor ihr nieder und nahm ernst ihre Hände in die seinen.
»Ich habe Euch nie verborgen, was ich für Euch empfinde …«
»Monsieur Guillot … ich glaube nicht, dass das …«
»Lasst mich ausreden, Madame. Ich … ich liebe Euch. Ich kann nicht in Euer Herz hineinsehen, doch ich ahne, dass Ihr mir eine besondere Freundschaft entgegenbringt. Madame … ich werde so lange warten, wie es nötig ist. Nur würde ich gern wissen, ob ich hoffen darf.«
Sprachlos angesichts von so viel Kühnheit wusste Isabelle nicht, was sie darauf sagen sollte. Deutlicher hätte der Mann es nicht ausdrücken können: Er hatte vor, das Ende der Trauerzeit abzuwarten und ihr dann einen Heiratsantrag zu machen. Aber liebte sie ihn? Kannte sie ihn gut genug? Sie erinnerte sich an eine andere Liebeserklärung, die von Alexander, die ebenso unverfroren, aber viel zartfühlender gewesen war. Der Gedanke verstörte sie, denn sie hatte beschlossen, den Schotten zu vergessen und gedacht, ihr Platz sei hier. Doch angesichts der schimmernden Klinge seines Dolchs hörte sie wieder die Worte, die er an jenem Abend geflüstert hatte: Du hasst mich, weil du mich nicht vergessen kannst , a ghràidh mo chridhe … genau wie ich dich nicht aus meinem Gedächtnis löschen kann … Sie schlug die Augen nieder.
»Darüber muss ich nachdenken, Monsieur Guillot. Für mich geht das alles zu schnell, versteht Ihr? Ich stehe noch viel zu sehr unter dem Eindruck von Pierres Tod, um mir eine Zukunft mit einem anderen vorstellen zu können.«
»Ich verstehe, Madame, und ich werde warten«, flüsterte er.
Sie spürte wie zuerst sein Atem, dann seine Lippen über ihre Wange strichen, und dann hörte sie, wie er ihr etwas ins Ohr flüsterte.
»Ich liebe Euch, mein goldener Lichtstrahl.«
Er schob eine Haarsträhne zurück, die ihr in die Augen fiel, und suchte ihren Mund. Seine Lippen fühlten sich sanft an, tröstlich sogar. Verwirrt und von widerstreitenden Gedanken hin- und hergerissen leistete Isabelle keinen Widerstand. Endlich zog der Mann sich zurück, ließ sie bebend im Sessel sitzen und richtete sich auf. Sie mochte die Augen nicht öffnen und hörte, wie er den Raum verließ und die Tür schloss. Erst dann schaute sie sich um.
»Goldener Lichtstrahl …«
Der Ausdruck hallte in ihrem Kopf wider. Nach einer Weile nahm das Wort »Gold« einen anderen Klang an. Ihr Herz begann heftig zu pochen. Sie nahm den Vertrag zwischen Pierre und Étienne und las ihn noch einmal, während sie hoffte, zwischen den Zeilen keinen Hinweis zu finden, der ihren Verdacht bestätigte. Dieses Dokument war dermaßen
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