Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
füreinander. Wie sollen wir sieben Jahre Trennung aufholen?«
Bei jedem Schritt, den sie auf ihn zutat, bei jedem Wort, das sie sprach, beschlich Alexander immer stärker das Gefühl, dass der Boden sich unter ihm auftat. Er konnte sich nicht rühren und fuhr mit der Hand an sein Herz, das ihm den Dienst zu versagen drohte.
»Der Umstand, dass du der Vater meines Sohnes bist… verpflichtet mich dir gegenüber zu nichts. Deinetwegen ist ein Teil meines Lebens buchstäblich die Hölle gewesen.«
Alexander musste ein großes Maß an Gleichmut aufbringen, um den Schmerz, den ihre Worte ihm bereiteten, zu ertragen. Isabelle hatte die Stirn gerunzelt und wirkte verwirrt und hilflos.
»Du hattest recht, Alex … Ich habe dich gehasst, weil ich dich nicht vergessen konnte, und das hat mir wehgetan. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie sehr?«
»Ich weiß es.«
»Ja, du weißt es …«
Sie erstickte ihre Worte, indem sie die Hand vor den Mund schlug. Das Schweigen wurde drückend. Sie nahm sich zusammen, wischte sich mit einer nervösen Bewegung die Wangen ab und schniefte.
»Heute ist mir klar, dass ich dich wegen unserer Trennung hasste, und weil ich dich für mein Unglück verantwortlich gemacht habe… Ich fühlte mich verlassen, allein mit dem Kind … Und dennoch war es das schönste Geschenk, das du mir machen konntest, Alex. Er sieht dir so ähnlich… Jedes Mal, wenn ich ihn anschaue, sehe ich dich. Kannst du dir vorstellen, wie mir dann zumute ist? Es ist vernichtend und berauschend zugleich. Gabriel …«
Sie brachte kein Wort mehr heraus und presste die Lippen zusammen, damit sie nicht zitterten.
Alexander war verzweifelt und wusste nicht mehr, was er denken sollte. Isabelle stand jetzt direkt vor ihm; ihre Rocksäume streiften ihn. Sie nahm seine Hand, die er aufs Herz gelegt hatte, drückte sie, seufzte und unterdrückte ein Schluchzen. Erst in diesem Moment bemerkte er den Hornring an ihrem Finger.
»Durch Gabriel muss ich jeden Tag an dich denken …«
Nachdem sie diese Worte geflüstert hatte, vergrub sie ihr Gesicht in seinem ledernen Rock und brach in heftiges Weinen aus.
Alexander war vollkommen verwirrt. Er hatte sie nur um ein einziges Wort gebeten, und sie hatte zu einer aufwühlenden Rede angehoben, die ihm das Gefühl vermittelte, auf Wolken zu schweben. Doch noch wartete er argwöhnisch auf das, was folgen würde. Stumm vor Unsicherheit zog er Isabelle in seine Arme, drückte sie an sich und liebkoste ihr Haar. Dann schlug sie ihre wunderbaren Augen zu ihm auf, in denen er sich verlor, hob den Mund zu ihm, den zu küssen er sich erträumte, diese Wangen mit den Grübchen, die er so gern mit den Lippen berührt hätte … Zögernd noch beugte er sich über sie. Endlich stürzte er sich wie magnetisch angezogen in diese Seligkeit, die sie ihm darbot, und küsste sie. Aus Furcht, sein neues Glück könne ihm entgleiten, wagte er nicht, die Augen zu schließen.
Isabelle fühlte sich von ihren Empfindungen überwältigt. Sie klammerte sich an Alexander … diese Insel, an deren Ufern sie endlich ihr Herz niederlegen konnte, das von den Ereignissen des Lebens zu stark erschüttert war. So wenig hatte gefehlt, und sie hätte, verirrt in einem grauen, undurchdringlichen Nebel, die Chance verpasst, das Glück wiederzufinden.
Nach einer Weile rückten sie ein wenig voneinander ab. So klein war der Abstand, den sie in diesem Moment tiefsten Glücks voneinander nahmen, und doch war die Kluft so groß. Illusionen waren fehl am Platz: Sieben Jahre, die sie fern voneinander verbracht hatten, trennten sie und wollten aufgeholt werden. Da war Groll zu verarbeiten, Kummer zu heilen und Hass zu vergessen. In dem Schweigen zwischen ihnen schwang diese Zurückhaltung.
»Ich liebe dich«, flüsterte Alexander und erlaubte sich endlich, die Augen zu schließen.
»Nur … wird die Liebe genug sein?«, fragte Isabelle und legte die Wange an seine Brust.
»Gott wird uns helfen …«
12
Darum freue dich nicht zu früh
Mit roten Wangen und schweißnasser Stirn setzte Isabelle sich vor die Tasse Kaffee, die Louisette ihr hingestellt hatte. Sie wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Ihr war, als wäre ein Tornado in das Haus gefahren und hätte das Unterste nach oben gekehrt. Kisten wurden geleert und andere gepackt. Einmal waren die Laken verschwunden, dann wieder die Kerzen. »Wo fah’en wi’ hin? Wo fah’en wi’ hin?«, fragte Gabriel, der ohne Unterlass überall herumlief und
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