Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
zu der Dienerin um, die auf ihre Erklärung wartete.
»Sobald ich genau Bescheid weiß, schreibe ich. Auf jeden Fall werde ich Monsieur Guillot anweisen, dafür zu sorgen, dass es euch an nichts fehlt. Bist du damit zufrieden?«
»Oh ja! Macht Euch keine Sorgen, Madame. Basile und ich werden uns während Eurer Abwesenheit gut um das Haus kümmern. Es wird glänzen wie ein frisch geprägter Sou.«
»Davon bin ich überzeugt.«
Isabelle lächelte, denn nun hatte sie keinen Zweifel mehr, dass die beiden Dienstboten eine Liebschaft unterhielten. Da sie Marie mitnahm, damit sie ihr half, sich einzurichten, würden die beiden Turteltauben eine Weile allein das Haus in Montréal hüten. Marie kannte als Einzige die Wahrheit über Alexander.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Kiste und ihrem geheimnisvollen Bewohner zu. Dann, als sie sah, wie der Serviettenstapel sich hob und zu Boden fiel, stieß sie einen Schrei aus und sprang auf.
»Eine Ratte!«
»Eine Ratte? Wo? Wo ist sie?«
Panisch suchte das Dienstmädchen Zuflucht auf einem Stuhl.
»Da! In der Kiste!«
Basile stürzte, alarmiert durch ihr Geschrei, in die Küche zurück. Louisette war kreidebleich geworden und wies mit dem Finger auf den wogenden Wäschestapel. Der Kutscher ergriff eine lange Fleischgabel und trat vorsichtig heran. Zuerst versetzte er der Holzkiste einen Tritt. Sofort hörten die Bewegungen auf. Dann schob er die Gabel behutsam in die Wäsche, um sie hochzuheben. Jetzt zitterte der Stapel heftig.
»Was in aller Welt ist das?«
Basile rümpfte die Nase, stach mit der Gabel kräftig zwischen die Servietten, aus denen gedämpftes Maunzen aufstieg. Isabelle und Louisette sahen sich einen Moment lang an. Dann brachen sie in schallendes Gelächter aus, während der Kutscher die arme Arlequine befreite, die sich verstimmt maunzend entfernte.
»Madame! Madame! Der englische Monsieur ist gekommen!«
Die Stimme schien aus weiter Ferne zu dringen, wie in einem Traum. Isabelle regte sich und hob den Kopf. Sie war am Tisch eingeschlafen.
»Der englische Monsieur? Wovon redest du, Marie?«
Aber das junge Mädchen war schon wieder fort. Noch ganz verschlafen gähnte Isabelle und reckte sich auf dem Stuhl. Während sie sich kräftig das Gesicht rieb, um vollständig wach zu werden, kehrte sie ruckartig in die Wirklichkeit zurück, und ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft: Sie würde abreisen!
Oh! Ich muss verrückt sein, mich auf solch ein Abenteuer einzulassen!
Auf dem Tisch stapelten sich die Briefe, die sie bis kurz vor Mitternacht geschrieben und versiegelt hatte. Sie überflog noch einmal die Empfänger: Jacques Guillot, Madeleine Gosselin, Louis Lacroix, Cécile Sarrazin, ihr Bankier, das Kolleg in Québec sowie einige Bekannte, die sie über ihre Abwesenheit unterrichten wollte. Sie hoffte, niemanden vergessen zu haben … Sie hatte Basile gebeten, die Briefe zur Post zu tragen.
Alexander war auf der Türschwelle erstarrt, um sie anzusehen. Er wagte es kaum, an sein Glück zu glauben. Am liebsten wäre er eine Ewigkeit dort stehen geblieben und hätte ihrem Atem gelauscht und ihre Bewegungen betrachtet. Allerdings wartete Munro mit den anderen, und der Tag versprach lang zu werden. Daher trat er vor und räusperte sich, um Isabelle auf sich aufmerksam zu machen. Sie hob den Kopf und ließ die Briefe fallen, als sie ihn erblickte.
»Oh, Alex … Ist es schon so spät. Ich bin wohl eingenickt, während ich gewartet habe.«
»Es muss kurz vor sechs sein.«
»Sechs Uhr schon? Ach du meine Güte! Sind die Karren gekommen?«
»Der Karren, ja.«
Gabriel kam in die Küche gerannt und polterte dabei fast gegen Alexander.
»Ich will nicht fo’t! Ich will nicht!«
Isabelle stand auf, und er warf sich schluchzend in ihre Arme.
»Was ist denn los, mein Schatz? Wir sind fertig, und Monsieur Alexander und seine Freunde sind gekommen, um uns …«
»Ich will nicht fo’tgehen! Und ich kann A’lequine nicht finden! Wir können sie doch nicht ganz allein lassen!«
»Katzen ziehen nicht gern um, Gaby. Aber weißt du, sie wird nicht ganz allein sein. Louisette und Basile bleiben bei ihr und kümmern sich um sie. Und außerdem können wir sie später holen kommen.«
Schniefend hob Gabriel den Kopf und wandte Alexander seine vom Weinen geröteten Augen zu.
»Wa’um kommt de’ Mann uns holen, Mama? Ist es, weil ich den Apfel gestohlen habe?«
»Nein, Gaby. Monsieur Alexander ist ein Freund. Er nimmt uns mit zu sich nach Hause,
Weitere Kostenlose Bücher