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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Leiter.
    »Kannst du mir erklären, was du da oben mit deinem Gewehr willst, Alex?«
    »Was macht Papa Alex da, Mama? Er wird doch Bandit nicht töten, oder?«
    »Ist das Bandit da oben?«
    Der Waschbär knurrte immer noch. Sein Blick flatterte, Schaum stand vor seinem Maul, und seine Hinterpfoten gehorchten ihm nicht. Er konnte sich nicht mehr aufrichten. Schweren Herzens legte Alexander sein Gewehr an.
    »Bring ihn nach draußen, Isabelle!«
    Sie verstand gar nichts mehr und geriet zunehmend in Aufregung.
    »Ist das Bandit da oben? Herrgott, was hast du vor? Alex!«
    »Mama! Mama! Er wird Bandit erschießen! Es ist nicht seine Schuld! Ich habe ihn auf den Dachboden gesteckt! Ich bringe auch alles in Ordnung, was er kaputt gemacht hat!«
    »Du? Aber wieso denn nur?«
    »Ich wollte nicht, dass er die ganze Nacht draußen unter dem Baumstumpf bleibt. Er ist krank, und die Bären hätten ihn gefressen …«
    Isabelle fasste nach Alexanders Fußknöchel.
    »Alex, du willst doch dieses arme Tier nicht umbringen, nur weil es…«
    »Der Waschbär hat die Tollwut.«
    Mit einem Mal wurde es totenstill. Dann ließ sich in der Hütte ein verzweifeltes Aufstöhnen vernehmen. Ungläubig starrte Isabelle auf Alexanders Mokassins, während ihr langsam klar wurde, was das bedeutete. Bilder von wilden Hunden, die Kinder bissen, stiegen vor ihrem inneren Auge auf.
    Sie drehte sich zu Gabriel um, der sich weinend an ihr Nachthemd klammerte, und bückte sich, um ihn genau anzusehen.
    »Hat der Waschbär dich gebissen, Gaby?« »Bandit? Nein, Mama.«
    Sie drehte und wendete seine kleinen Gliedmaßen.
    »Bist du dir sicher?«
    »Ja, Mama.«
    »Hat er Otemin gebissen?«
    »Nein …«
    »Du musst mir die Wahrheit sagen, Gaby. Du kannst Bandit nicht retten, indem du lügst. Verloren ist er ohnehin.«
    Der Knabe begann erneut zu schluchzen.
    »Mama … Bandit hat nichts Böses getan.«
    »God damn , Isabelle! Bring ihn nach draußen, oder… Get out of here! «
    Isabelle unterbrach ihr Verhör, packte ihren Sohn am Arm und schob ihn nach draußen. Marie folgte ihr mit Élisabeth.
    Als Alexander ganz sicher war, dass alle die Hütte verlassen hatten, seufzte er. Er sah das arme Tier noch einmal an, ehe er sich entschied, den Abzug zu drücken. Kein Zweifel: Das waren die Symptome der Tollwut. Er zielte, schloss dann die Augen und drückte ab. Unter den Dachbalken knallte der Schuss ohrenbetäubend laut. Mit pochendem Herzen lauschte Alexander dem Donnerschlag und Gabriels Geschrei, die in seinem Kopf widerhallten. Vor ihm lag Bandit. Seine Kehle war aufgerissen, und seine glasigen Augen starrten ins Leere.
     
    Irgendwann hörte das Kind auf zu weinen. Immer noch hing der Gestank des Schießpulvers in der Luft. Isabelle ließ sich vor dem Kamin schwer auf eine Bank sinken. Aufgeschreckt durch den Schuss waren Munro, die MacInnis-Brüder und der Hurone herbeigelaufen. Sie hatten ihnen beim Saubermachen und Aufräumen geholfen und waren dann wieder gegangen. Marie hatte ihre Tasse ausgespült und stellte sie weg.
    »Das ist zu viel, es ist zu viel …«
    Isabelle konnte nicht mehr. Sie hatte mehr freudige und schmerzliche Momente erlebt, als sie an einem einzigen Tag verkraften konnte.
    »Soll ich Euren Tee noch einmal aufwärmen, Madame?«
    »Wie bitte?«
    Sie schaute auf. Die Indianerin hielt Wasserkessel und Geschirrtuch in der Hand und wies mit dem Finger auf die Tasse, die immer noch auf dem Tisch stand.
    »Euer Kräutertee. Er ist kalt geworden, Madame.«
    »Nein danke, Marie. Du kannst dich wieder hinlegen.«
    Das Dienstmädchen nickte. Nachdem sie die schwere Kanne auf dem flachen Stein an der Feuerstelle abgestellt hatte, verschwand sie auf die andere Seite des Kamins. Schritte verrieten, dass Alexander zurückkehrte. Er hatte seine Mission erfüllt und den armen Bandit auf dem kleinen, von Gabriel provisorisch angelegten Friedhof begraben, wo Tiere, die in Gefangenschaft starben, ihre ewige Ruhe finden sollten.
    Isabelle wandte den Kopf zur Tür, die sich langsam öffnete. Mit nacktem Oberkörper, das zusammengerollte Hemd unter den Arm geklemmt, trat Alexander ein. Er fuhr mit den Fingern durch sein feuchtes Haar und sah sie mit undeutbarer Miene an. Sie hatte die Knie unters Kinn gezogen, wiegte sich vor und zurück und biss sich auf die Lippen.
    Alexander schaute zu den Betten und sah, wie Marie sich neben Gabriel legte. Der Kleine stöhnte. Dann wurde es wieder still in der Hütte. Die Sache mit Bandit war erledigt; blieb

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