Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Schritte und blieben dann vor der Latrine stehen. Alexander schlug sein Feuerzeug an. Eine Flamme leuchtete auf und erhellte die Gesichter der Männer, die ihr wie Verschwörer vorkamen. Jeder zog an seiner Pfeife. Dann ließ sich die Stimme des Gastes wieder vernehmen. Sie klang zögerlich.
»Sie hat ein Kind, Alexander … einen kleinen Jungen, den sie Joseph Saonaresti genannt haben. Joseph war der christliche Vorname, den unser Vater bei seiner Taufe, kurz vor seinem Tod, angenommen hatte. Wie du dir denken kannst, hat Mathias darauf bestanden, dass das Kind ebenfalls getauft wurde.«
»Oh! Ich freue mich … für die beiden.«
Alexander räusperte sich. Ganz offenbar fühlte er sich unwohl.
»Er muss ungefähr so alt wie meine Tochter sein«, meinte er dann.
»Als die Glocken eurer Kirchtürme nach eurem Kalender das Neue Jahr eingeläutet haben, ist er ein Jahr alt geworden.«
»Sieh mal an, ein Neujahrsgeschenk … Och! Ein Jahr? Bist du dir sicher?«
»Er hat einen Rotschimmer im Haar, Alexander. Ich dachte, das solltest du wissen, mein Freund.«
»Und … was sagt Mathias dazu?«
»Tsorihia hat ihm die Wahrheit nie verschwiegen. Er ist Joseph ein guter Vater.«
»Oh, mein Gott!«
Ein bleiernes Schweigen senkte sich herab. Isabelle spürte sein ganzes Gewicht und bekam kaum noch Luft. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten und wäre davongerannt, um nicht zu hören, was jetzt folgen musste und was sie erriet. Aber sie blieb wie gelähmt in dem feuchten Gras hocken, das ihren Rock durchnässte.
Die Glut von Alexanders Pfeife bewegte sich hin und her, hielt an und nahm dann ihre Wanderung wieder auf. Die beiden Männer schwiegen mehrere Minuten lang. Schließlich sprach der Schotte weiter. Seine Worte brachen Isabelle fast das Herz.
»Was soll ich tun, Nonyacha? Ich meine, wenn Joseph … mein Sohn ist.«
»Zweifelst du daran?«
»Nun ja … Wenn er im Januar ein Jahr alt geworden ist… Nein. Aber ich kann es nicht glauben! Ich meine … wir waren drei Jahre zusammen!«
»Meine Schwester hat dafür gesorgt, dass sie nicht schwanger wurde. Doch diese Kräuter sind nicht unfehlbar.«
»Wie bitte? Aber warum? Sie wusste genau, wie sehr ich mir ein Kind wünschte!«
»Tsorihia hat geahnt, dass du sie irgendwann verlassen würdest.«
»Das hat sie dir gesagt? Aber das ist ja lächerlich!«
»Wirklich? Aber du hast es doch getan, oder?«
»Aber wenn sie schwanger war … ich meine … ich weiß nicht… vielleicht… Warum hat sie mir nichts davon gesagt? Sie muss doch von ihrem Zustand gewusst haben, als ich im letzten Frühjahr aus Montréal zurückgekehrt bin, oder?«
Alexanders Pfeife war ein paar Schritte von Nonyacha entfernt zum Halten gekommen. In der tiefen Dunkelheit hüpften die beiden Glutpünktchen wie Leuchtkäfer.
»Keine Ahnung! Ich selbst habe nur gesehen, wie ihre Gestalt sich gewandelt hat. Zu diesem Zeitpunkt hat Mathias um ihre Hand angehalten.«
Noch ein paar Minuten vergingen, dann erklang erneut die ernste Stimme des Schotten. Was er sagte, traf Isabelle wie ein Schlag.
»Ich breche morgen mit dir zum Rivière de la Lièvre auf.«
»Ich glaube nicht, dass … deine Frau …«
»Nein, ich gehe mit dir! Ich muss mit Tsorihia sprechen. Ich muss … Oh mein Gott! Ich muss diesen Jungen sehen!«
»Einverstanden. Vergiss nur nicht, dass Joseph jetzt der Sohn von Mathias Makons ist.«
»Mathias … sein Vater …«
Isabelle vermochte Alexanders Gedanken nicht zu erraten. Das Lichtpünktchen, das den Schotten bezeichnete, entfernte sich, gefolgt von dem des Huronen, in Richtung Maisfeld. Isabelle starrte auf das glitzernde Netz von Tautropfen, das die gezahnten Blätter einer Fingerkraut-Pflanze überzog, und dachte völlig zusammenhanglos, dass dieses Bild, wenn man es abstickte und mit Glasperlen besetzte, einen wunderbaren Schmuck für das Kleid abgeben würde, das sie an ihrem Hochzeitstag tragen wollte. Niedergeschmettert von dem, was sie soeben gehört hatte, stand sie auf und ging langsam und immer wieder strauchelnd zur Hütte zurück.
Als sie die Tür hinter sich schloss, begegnete sie Gabriels Blick. Er wartete in seinem Bett auf sie. Der Kleine hatte inzwischen gelernt, allein einzuschlafen. Marie ging am Abend oft mit Francis spazieren und kehrte immer später zurück. Isabelle gab sich Mühe, ein Lächeln aufzusetzen, trat an das Bett und sah die Ohren und die Füße ihres Sohns nach, bevor sie die Decken um ihn feststeckte und ihm
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