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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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einen Kuss gab. Mit einem Mal wurde ihr klar, dass Gabriel einen Halbbruder hatte. Ein Schluchzen stieg in ihr auf, das sie verbarg, indem sie ein Niesen vortäuschte.
    »Gesundheit, Mama«, sagte der Junge verschlafen.
    »Gute Nacht, meine Sonne«, flüsterte Isabelle und streichelte seine Locken, die über das Kopfkissen fielen. »Und schöne Träume.«
    »Hmmm …«
    Sie ging in die Küchenecke der Hütte. Dort löste sie ihre zusammengekrampften Finger und sah mit leerem Blick auf die zerknautschten Melissenzweige hinunter.
    »Joseph … Morgen taucht ein Antoine auf, dann ein Charles und … wie viele noch? Wie viele Kinder hast du landauf, landab gezeugt, Alexander Macdonald? Wie viele?«
    Ihre Benommenheit wich einer kalten Wut, die in ihr aufstieg und sie überwältigte. Am liebsten hätte sie geschrien und alles um sich herum zerschlagen. Sie ließ die Melissenzweige auf den Boden fallen, packte in ihrem Zorn die Teekanne und schleuderte sie gegen die Wand. Mit einem ohrenbetäubenden Getöse zerplatzte die Fayencekanne in tausend Stücke. Gabriel in seinem Bett schrie auf.
    »Mama! Was war das?«
    Sofort nahm sie sich zusammen und stürzte zu ihrem weinenden Sohn.
    »Tut mir leid, wenn ich dir einen Schrecken eingejagt habe, mein Herz. Mir ist die Teekanne aus den Händen gerutscht…«
    »Ist sie zerbrochen?«
    »Ja. Ich fürchte, man kann sie nicht mehr reparieren.«
    »Oh! Dann müssen wir wohl eine neue kaufen. Du hattest ja nur die eine.«
    »Ich weiß … Mach dir deswegen keine Gedanken. Schlaf, meine Sonne.«
    Sie drückte ihren Sohn an ihr Herz, das vor Kummer bersten wollte, und wiegte sich mit ihm hin und her.
     
    Als Alexander die Tür der Hütte aufschob, hatte der Mond schon einen großen Teil seines Weges am Himmel zurückgelegt. Alles war still. Er trat zögerlich ein, denn er fürchtete, Isabelle noch wach anzutreffen. Heute Nacht hatte er keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit ihr. Vorsichtig zog er die Tür zu und sah sich müde im Raum um. Auf einer Ecke des Tisches stand eine Kerze und erhellte das sorgfältig aufgeräumte Zimmer mit schwachem Licht. Isabelle legte großen Wert auf Ordnung. Er selbst hatte auch bemerkt, dass er diese äußere Stabilität brauchte, um sich sicher zu fühlen… vor allem in Zeiten, in denen er das Gefühl hatte, dass ihm alles aus den Händen glitt …
    Er tat ein paar Schritte auf die Lichtquelle zu. Die Flamme flackerte. Nachdenklich spielte er ein wenig damit herum. Als er die Hand hinter die Kerze legte, um sie auszublasen, fiel sein Blick auf seine Handfläche. Neugierig musterte er einen Moment lang das komplizierte Netz von Linien. Eines Tages, in einem Weiler in der Umgegend von Glasgow, hatte er sich von einer Zigeunerin aus der Hand lesen lassen. Es hatte geheißen, die Frau aus dem fahrenden Volk könne die Zukunft vorhersagen, und was hatte er schon zu verlieren gehabt außer einer Kupfermünze?
    Lange hatte die Frau seine Handfläche liebkost, wie es eine Mutter getan hätte. Mit den Spitzen ihrer langen Fingernägel war sie an seiner Lebenslinie entlanggefahren. »Die Hand eines Menschen ist ein Buch, in dem sein Schicksal geschrieben steht«, hatte sie erklärt. Er hatte gelacht, war aber verstummt, als er ihre ernste, verärgerte Miene sah. Im schwachen Kerzenlicht hatte sie die müden Augen zusammengezogen, sich über dieses Schicksalsbuch gebeugt und es eingehend studiert.
    »Sehr eigentümliche Hand … Ein langes, aber sehr kompliziertes Leben.« Er hatte sie um Aufklärung gebeten, Einzelheiten, doch sie hatte zu ihm aufgeschaut und den Kopf geschüttelt. »Zu verwickelt.« Er hatte weitergebohrt. »Ich gebe Euch drei Farthings 54 mehr, wenn Ihr mir meine Zukunft sagt.« Sie hatte gezögert. Dann hatte sie aus ihren schwarzen Augen noch einmal auf das geheimnisvolle Abbild seines Schicksals hinuntergeschaut. »Wenn ein Mensch das Ende eines Romans schon kennt, warum sollte er ihn dann lesen wollen?«, hatte sie gemurmelt.
    Merkwürdigerweise verspürte Alexander in dieser Nacht den Wunsch, das nächste Kapitel seines schrecklich verwickelten Lebensromans zu überschlagen. Ein dumpfes Geräusch bewog ihn, zur Decke hochzusehen. Er vernahm ein leises Kratzen und dann ein paar tappende Schritte. Sieh an, offenbar ziehen die neuen Mieter schon vor dem Winter ein , dachte er und verzog zynisch den Mund.
    »Kommst du jetzt sehr spät heim, oder eher ziemlich früh?«
    Er fuhr zusammen und stieß mit der Hand gegen den

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