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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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seidige Haar hinein und drückte sie so fest, dass sie protestierte. Es gefiel ihm, dass jemand ihn brauchte und sich so an ihn klammerte. In seinem Leben hatte er viele Frauen gekannt – seine Mutter, seine Schwestern, Geliebte –, die ihn jede auf ihre Weise geleitet und getröstet hatten. Doch merkwürdigerweise war das bei Isabelle anders. Zum ersten Mal gab eine Frau sich ihm gegenüber verwundbar und zeigte ihm ihre Schwächen, und das verlieh ihm einen machtvollen Willen, der alles andere überwand und ihn vorwärtstrieb.

18
Feindseligkeiten
    Sie näherten sich dem Dorf. Alexander wurde von einer Woge von Erinnerungen überrollt und spürte, wie ihm das Herz schwer wurde. Entschlossen tauchte er wieder und wieder sein Ruder ins Wasser und sah den Wirbeln nach, die er damit auf dem Grande Rivière erzeugte. Ein Schwarm Enten zog über sie hinweg. Ihr Quaken riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.
    Nonyacha drehte sich um, sah ihn einen Moment lang an und ruderte dann weiter. Alexander wurde von Zweifeln umgetrieben und fragte sich, ob er das Richtige tat. Tsorihia erwartete ihn nicht. Wie würde sie ihn empfangen? Und Mathias? Der Mann würde es bestimmt nicht schätzen, wenn er jetzt so plötzlich wieder auftauchte. Er stellte eine Gefahr für das Einvernehmen des Paares dar. Er musste sich vorsehen, Abstand wahren und nur in seiner Gegenwart mit Tsorihia sprechen.
    »Da sind wir«, verkündete Nonyacha und wies auf die Mündung des Rivière du Lièvre.
    Während das Kanu den Wasserlauf hinauffuhr, musterte der Hurone die Ufer und hoffte, ein paar Dorfbewohner zu entdecken. Er kehrte von einer gefährlichen Reise zurück, die ihn bis nach Montréal geführt und drei Wochen gedauert hatte, und rechnete mit einer lebhaften Begrüßung. Doch an diesem Morgen machte sich niemand am Ufer zu schaffen. Eine merkwürdige Stille herrschte.
    »Bist du dir sicher, dass es hier ist?«
    Nonyacha hatte zu rudern aufgehört, nahm das Ufer in Augenschein und lauschte. Plötzlich entdeckte er drei Kanus, die zur Hälfte unter Astwerk verborgen waren.
    »Dort!«
    Sie befanden sich auf der Höhe des Dorfs. Nachdem sie das Kanu ein paar Schritte vom Ufer entfernt angehalten hatten, sprangen sie ins Wasser und zogen das Boot aufs trockene Land. Dann entluden sie alles, drehten den Rumpf um und schoben ihre Ruder und ihr Gepäck darunter.
    Mit dem Gewehr in der Hand schlugen sie den Weg ein. Die Stille drückte sie nieder. Das war nicht normal. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Nichts bewegte sich im Unterholz; man hörte weder Kinderlachen noch Rufe. Alles wirkte vollkommen verlassen. Je weiter sie vordrangen, umso stärker krampfte sich Alexanders Magen zusammen. Jetzt stieg ihnen ein fader Geruch in die Nase. Über ihren krächzte laut ein Schwarm Raben.
    Während sie auf das Dorf zugingen, überlegte der Schotte, dass die Algonquin wohl weitergezogen waren; zweifellos, weil das Wild nach einigen Jahren, in denen sie im selben Gebiet gejagt hatten, knapp geworden war. Aber als sie über Alltagsgegenstände hinwegsteigen mussten, wurde ihm klar, dass etwas anderes geschehen war: Die Menschen waren geflohen und hatten in ihrer Eile alles zurückgelassen…
    Nonyacha ging immer langsamer, bis er ganz stehen blieb. Alexander tat es ihm nach. Ein Hund lag quer über dem Weg; ein Schwarm Fliegen summte um ihn herum. Der Geruch, der sie empfangen hatte, wurde stärker und schnürte ihnen die Kehle zu. Der Hurone beugte sich über den Kadaver und stöhnte auf: Das Tier war von einer Kugel getötet worden, die in seine Brust eingedrungen war. Mit einem Mal ging den Männern die Lage in ihrem ganzen Grauen auf, und sie stürzten mit gezücktem Dolch den Weg entlang, obwohl ihnen die Waffen wahrscheinlich nichts nützen würden. Sie entdeckten die Leiche eines Mannes, der bäuchlings auf dem Boden lag und skalpiert worden war. Die beiden waren kalkweiß geworden. Sie ließen ihre Blicke zu der Gruppe von Rindenhütten schweifen, die sich in die Biegung des Tales schmiegten. Vor Zorn und Schmerz brüllend stürmte Nonyacha den Abhang hinunter. Alexander folgte ihm.
    »Tsorihia!«
    Unten erwartete sie eine entsetzliche Szene. Und dieser Gestank … Seit seiner Kerkerhaft im Tolbooth-Gefängnis von Inverness hatte Alexander ihn nicht vergessen können. Er lief zur ersten Hütte, wo er drei Leichen fand, eine Frau und zwei Kinder. Alle waren skalpiert worden.
    »Neiiin! Tsorihia! Tsorihia!«
    Instinktiv rannte er zu der kleinen

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