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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Hütte, die er einst bewohnt hatte. Er musste sich davon überzeugen…
    »Tsorihia! Mathias!«, schrie Nonyacha, der in eine andere Richtung gelaufen war.
    Alexander wollte in die Hütte treten, als ein schrecklicher Schrei erscholl, bei dem ihm die Haare zu Berge standen. Dann kam nichts mehr. Die Behausung war leer. Er ahnte schon, was der Hurone gefunden hatte. Niedergeschmettert ging er zu ihm. Er fand seinen Freund auf Knien liegend und wie ein Kind schluchzend vor. Es war Tsorihia. Sie lag auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet und die Beine gespreizt. Man konnte leicht erraten, was sie noch hatte erdulden müssen, ehe man sie grausam ermordet hatte.
    »Oh, Tsorihia!«
    Im Gegensatz zu den meisten anderen Toten besaß die junge Frau ihr Haar noch. Ihr langer Zopf lag auf ihrer Brust. Schluchzend wandte sich Alexander von dem Frauenkörper ab, den er einst zärtlich berührt und geliebt hatte. Da erblickte er durch seinen Tränenschleier hindurch einen bronzenen Reflex im Farnkraut. In dem Glauben, schlimmer könne es nicht mehr kommen, bog er argwöhnisch die Pflanzen auseinander. Dann brach ein Schrei aus seiner Brust. Ein Kind. Sein Schädel war zerschlagen, und das Blut war in dem kurzen, hellrot schimmernden Haar angetrocknet. Joseph, sein Sohn… Er hatte keine Kraft zum Schreien mehr und stöhnte seinen Schmerz heraus. Dann nahm er den kleinen Körper und legte ihn auf den Bauch seiner Mutter.
    Als er aufstand, zog ein glitzernder Gegenstand, den Tsorihias Finger umklammerten, seine Aufmerksamkeit auf sich; sicher etwas von dem Tand, den die Eingeborenen liebten. Doch dieses Stück war etwas Besonderes: ein goldenes, mit Edelsteinen besetztes Kreuz. Er hatte es schon einmal gesehen, aber nicht bei der Huronin. Eine braune Haarsträhne hing daran. Tsorihia musste es aus dem Haar des Mannes, der sie überfallen hatte, gerissen haben. Er schloss die Hand um das Schmuckstück und schwor sich, denjenigen zu finden, der dieses scheußliche Verbrechen begangen hatte, und den oder die Schuldigen zu töten.
    Neben ihm schluchzte Nonyacha. Die Raben krächzten unablässig und flatterten von einer Leiche zur anderen, wo sie sich das Festmahl mit den Fliegen streitig machten. Mit einem Mal wurde Alexander von unbändigem Zorn ergriffen. Er sprang auf und nahm einen Ast. Brüllend rannte er los und drosch damit auf die Luft ein. Die Vögel flatterten lärmend davon und warteten in den Bäumen darauf, dass er sich wieder entfernte.
    Plötzlich vernahm der Schotte ein leises Stöhnen. Mit pochendem Herzen wandte er den Kopf und hörte zu atmen auf. Da seufzte jemand; es gab einen Überlebenden! Er schrie, durchsuchte die Hütten, erforschte Gesichter, die ihm vertraut waren, und suchte in den leeren Augen nach einem Funken von Leben. Endlich kam er zu einer Hütte am Dorfrand, von der die unheimlichen Laute ausgingen. Keuchend drang er in die Hütte ein, und da verstummte das Stöhnen abrupt.
    Im Halbdunkel erkannte er eine alte Frau, die zusammengekauert auf einer Decke saß. Die Ahnfrau des Dorfes. Sie rührte sich nicht und schien ihn anzusehen. Langsam trat er auf sie zu. Die Luft war erfüllt vom Summen der Fliegen und dem Geruch des Todes. Auf einer Matte lag die Leiche eines jungen Mädchens. Alexander beugte sich zu der Alten hinunter und bemerkte eine stark blutende Bauchwunde. Er grub in seinen Erinnerungen und sprach sie mit den paar Worten ihrer Sprache, die er kannte, an.
    Ihr Gesicht war gefurcht wie die Rinde eines Ahorns, und langes weißes Haar, das fein und leicht war, lag auf ihren zerbrechlichen Schultern. Ihr Blick, in dem das ganze Unglück ihres Volkes lag, glitt über ihn hinweg und schien sich auf etwas zu konzentrieren, das in großer Ferne lag. Alexander begriff, dass die Greisin seine Gedanken las, und Gänsehaut überlief ihn. Er verstand, warum man sie eine Hexe nannte. Alle wandten sich an sie, damit sie ihnen mit ihrer Weisheit und ihrem Wissen half. In den Highlands hätte man sie eine bean-sìth gerufen … Schwach atmend umklammerte sie mit ihren knotigen, blutüberströmten Fingern seine Hand.
    »Der Mann, der mit den Wölfen spricht… Ihr seid zurückgekommen.«
    »Ja, und ich habe alles gesehen, Ishkadaikwe. Sagt mir, was geschehen ist.«
    »Sie sind zu der Stunde gekommen, in der die Eule jagt. Sie haben meiner Enkelin Gewalt angetan und sie getötet …«
    Sie wiegte sich beim Sprechen vor und zurück.
    »Wer war das?«
    Stöhnend schüttelte die Greisin den Kopf. Tränen

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