Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
Vom Netzwerk:
eines Mannes im Schussfeld.
    Nach und nach gewöhnten seine Augen sich an das Licht, und sein Finger war bereit zum Abdrücken … Als das wachsbleiche Gesicht des Mannes, den die anderen Patron nannten, vor ihm Konturen annahm, gefror ihm das Blut in den Adern. Ein Stöhnen stieg aus seiner Brust auf. Er zögerte. Eine Flut von Erinnerungen überwältigte ihn. Seine Muskeln waren bis aufs Äußerste angespannt und schmerzten furchtbar.
    Der Mann warf sein Gewehr weg.
    »Aber… was macht Ihr denn, Patron?«
    »Lasst uns allein, Cabanac …«
    Sprachlos sah Cabanac jetzt Alexander an. Plötzlich riss er die Augen auf, als er die Züge des Gefangenen erkannte. Er senkte die Waffe.
    »Jessas, Maria und Joseph!«
    »Lasst uns allein! Und seht zu, dass niemand hierherkommt!«
    »Aber Jean …«
    »Das ist ein Befehl!«
    Wortlos verschwanden Cabanac und le Chrétien auf dem im Halbdunkel liegenden Pfad. Alexander hatte sich keinen Zoll bewegt. Nur sein Finger, der am Abzug lag, zitterte. Er biss die Zähne zusammen, um die Panik, die in ihm aufstieg, zu beherrschen.
    »Los, schieß doch!«, forderte John ihn gelassen auf. »Du brennst doch darauf, oder? Hier ist deine Chance. Ich bin unbewaffnet, und meine Männer sind fort.«
    Alexander war immer noch erschüttert von seiner Entdeckung und von den Gefühlen, die sie in ihm aufgewühlt hatte. Er konnte nicht mehr klar denken. In seinem Inneren hallten Detonationen wider, die ihn zusammenzucken ließen, unheimliche Schreie, bei denen er erschauerte, und das Pfeifen von Geschossen, das sein Herz schneller schlagen ließ. Ihm war kalt, genau wie an jenem Tag im Schneeregen auf dem Moor von Drummossie. Er sah, wie die Dragoner auf die Highlander eindrangen und mit ihren Schwertern wahllos Köpfe und Arme abschlugen. Er sah seinen Vater im Getümmel verschwinden… und schaute dann in die schwarze Mündung eines Laufs, der sich auf ihn richtete … Nach und nach fasste er sich und schaute wieder seinen Bruder an.
    »Nun, wie fühlt man sich, wenn ein Gewehr auf einen gerichtet ist, John?«
    John sah zuerst auf die Waffe und dann zu Alexander.
    »Das hängt davon ab, wer die Waffe in Händen hält und aus welchem Grund diese Person schießen will.«
    Zorn stieg in Alexander auf.
    »Und was fühlst du jetzt, in diesem Augenblick?«, knurrte er.
    John war kreidebleich geworden und stand reglos wie eine Statue da.
    »Ich glaube … ich würde mich besser fühlen, wenn du endlich diesen verdammten Abzug drücken würdest.«
    Alexander fasste sein Gewehr fester und lachte zynisch auf.
    »Das hättest du wohl gern, was? Ich weiß genau, wie das ist, John. Zweiundzwanzig Jahre … Seit zweiundzwanzig verfluchten Jahren trage ich diese Erinnerung schon mit mir herum!«
    Verblüfft neigte John den Kopf zur Seite.
    »Was?! Du erinnerst dich nicht einmal?«
    »Wovon redest du, Alas?«
    »Herrgott! Von Drummossie Moor, Culloden!«
    »Culloden …«
    John wurde grau im Gesicht und schüttelte seinen dunklen Haarschopf. Alexander bemerkte die eigentümlichen kupferfarbenen Reflexe, die darin aufleuchteten, und erinnerte sich an eine Bemerkung, die Tsorihia einmal über sein Haar gemacht hatte.
    »Glaubst … glaubst du etwa, dass ich an diesem Tag auf dich geschossen habe, Alas?«
    John schüttelte immer noch hektisch den Kopf. Er reckte die Arme zum Himmel und schlug dann die Hände vors Gesicht. Mit einem langgezogenen Stöhnen fiel er auf die Knie.
    »Ochone! Alas! Hast du das wirklich all die Jahre geglaubt?!«
    Das Verhalten seines Bruders verunsicherte Alexander, und er senkte die Waffe ein wenig. Aber dann stand ihm wieder das Bild des feuerspuckenden Laufs vor Augen, und erneut stieg Groll in ihm auf. Zornig warf er das Gewehr weg, stürzte sich auf seinen Bruder und versetzte ihm einen Kinnhaken. John, der noch unter dem Eindruck seiner Enthüllung stand, hatte keine Zeit, ihm auszuweichen und fand sich unter ihm am Boden wieder. Keuchend holte Alexander aus. Sekunden vergingen. Plötzlich fuhr seine Faust nur ein paar Zoll von Johns Kopf entfernt ins Gras nieder.
    Grob gab Alexander seinen Bruder frei, trat von ihm weg und zerrte seinen Hemdkragen herunter, um ihm die verblasste Narbe an seiner Schulter zu zeigen, die ihn für immer zeichnen würde.
    »Und das? Bilde ich mir das vielleicht auch ein?«
    Langsam stand John auf.
    »Nein… Aber du irrst dich, Alas! Herrgott, nicht ich habe auf dich geschossen, sondern ein Soldat aus Pulteneys Regiment.«
    »Pulteney … Du

Weitere Kostenlose Bücher