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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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von Red River Hill geblieben? Isabelle und die Kinder mussten nach Montréal zurückgekehrt sein. Aber warum hatte niemand nach ihm gesucht? Was war geschehen ?
    Er wandte sich von dem ersten Grab ab und suchte das andere auf. Unter dem Weißdorn, in dessen Schatten die Latrine lag, befand sich ein kleiner Erdhügel, der etwa so lang war wie ein Mensch groß. Er kniete nieder.
    »Hier stand ebenfalls ein Kreuz«, erklärte Jean Nanatish, der ihm gefolgt war. »Ein Tier muss es weggeschleppt haben.«
    »Stand darauf auch ein Name?«
    Die Miene des Algonquin verdüsterte sich, und er presste die Lippen zusammen.
    »Ich kann nicht lesen.«
    »Oh, tut mir leid.«
    Enttäuscht stand Alexander auf, zückte seinen Dolch und schnitt einen Zweig von dem Weißdorn ab. Dann zog er ein Lederband aus seiner Tasche und stellte aus dem Zweig ein neues Kreuz her.
    »So!«
    Als er das Holz in den Boden steckte und die Erde wieder glättete, streifte seine Handfläche über etwas Hartes. Neugierig geworden, legte er es vorsichtig frei. Er zögerte, den Gegenstand an sich zu nehmen, denn er vermutete, dass jemand ihn absichtlich hier zurückgelassen hatte. Doch seine Form kam ihm bekannt vor, sodass er nicht lange widerstehen konnte und ihn aufhob. Tränen schossen ihm in die Augen: Er hielt Isabelles Taufkreuz in der Hand.
    Er schloss die Finger über dem Schmuckstück. Daran hing noch das Band, das einmal blau gewesen war. Isabelle trug ihr Kreuz immer an einem blauen Band. »Das ist die Farbe des Himmels und der Fahne von Neu-Frankreich … Aber auch die deiner Augen«, hatte sie ihm einmal erklärt. Schmerzlich bohrten sich die Kanten des Kreuzes in seine Handfläche, während er daran dachte, wie von jetzt an sein Leben aussehen würde: Ohne Isabelle würde er wieder ziellos durch die Welt irren.
    Herrgott! Er vergrub das Gesicht in den Händen. Konnte es wirklich sein, dass Étienne seine eigene Schwester für dieses verfluchte Gold geopfert hatte? Genug traurige Beispiele dafür, dass es Menschen ohne jegliches Gewissen gab, bot das Leben ja …
    Alexander war verzweifelt, doch er rang seine Tränen nieder. Er wollte den Indianern, die ihn schweigend ansahen, kein Schauspiel liefern. Nanatish, der erriet, was in ihm vorging, drückte ihm sanft die Schulter und ging dann mit den anderen davon. Da endlich stieß er ein Stöhnen aus. Er fiel vor dem Grab auf die Knie und weinte wie noch nie in seinem Leben.
     
    In dieser Nacht schlief er nicht. Der Schlummer wollte sich einfach nicht einstellen. Er stand an Munros Hütte und lauschte dem Schnarchen seiner Begleiter. Sie hatten sich auf dem Boden ausgestreckt, den sie zuvor mit Tannenzweigen bedeckt hatten. Er überlegte, was er jetzt anfangen sollte. Isabelle hatte er für immer verloren, aber da waren noch seine Kinder… jedenfalls hoffte er das. Er musste sie finden. Und er wollte ebenfalls herausbekommen, was aus John und den anderen geworden war. Wer mochte in dem Grab am Waldrand liegen?
    Er sah zu der Krone des Weißdorns auf, die in dem schwachen Licht des frühen Morgens zu erkennen war, und stieß einen tief empfundenen Seufzer aus. Wenn der Tag anbrach, würde er von hier fortgehen, um nie wieder zurückzukehren. Doch zuvor musste er noch eine schwierige Entscheidung treffen. Sein Blick wandte sich gen Osten, zum Obstgarten …
    »Du musst dir Klarheit verschaffen, Alasdair Macdonald.«
    Er bewaffnete sich mit seinem Gehstock und einer Schaufel und schlug entschlossen den Pfad ein. Jetzt, im März, waren die Nächte noch kalt, und glitzernder Raureif überzog den Boden.
    Er musste an vier unterschiedlichen Stellen graben und jedes Mal den Weg aus dem Plan erneut abgehen, bis seine Schaufel auf etwas anderes als Stein traf. Als er den hohlen Widerhall hörte, ließ er sich auf die Knie fallen und schloss erschöpft die Augen. Dann steckte er den Arm in das etwa eine Viertelelle tiefe Loch, das er gegraben hatte. Da war es, das verfluchte Gold! Vor Anstrengung stöhnend hievte er die schwere Truhe hoch. Zorn ergriff ihn, und er schlug mit der Schaufel auf das Vorhängeschloss ein, bis es zerbarst. Keuchend starrte er dann auf die Schatulle, als warte er darauf, dass sie von allein aufsprang.
    Ein Nachtvogel rief ein letztes Mal, ehe er sich in sein Nest zurückzog. Unter dem matten, grauen Himmel lag der Obstgarten jetzt in einem aschfarbenen Licht. Mit zitternden Händen machte Alexander sich an dem Deckel zu schaffen, doch der war verrostet und öffnete sich immer

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